Ernst Konarek seziert im Theaterhaus mit viel schwarzem Humor seine ganz persönlichen Körperwelten: „Herzschnittchen und die 5 Bypässe“ heißt der Abend, den er mit dem Musiker Ernst Kies bestreitet.

Stuttgart - „Liebe, die ist immer wieder schön, jawohl!“ Schwungvoll beenden die beiden Männer in den grünen Plastikkitteln und Häubchen die „Herz-Schmerz-Polka“. Chirurgen mit Liebeskummer? Nicht weit gefehlt: Der Schauspieler Ernst Konarek verarbeitete mit dem Musiker Ernst Kies, was ihm im Februar diesen Jahres widerfahren ist: eine Herz-Operation. „Herzschnittchen und die 5 Bypässe“ nennt denn auch Kabarettist Konarek märchenhaft seine szenische Lesung mit Musik, die im Theaterhaus Premiere hatte. Um es vorwegzunehmen, die schwarzhumorige Analyse der Erlebniswelten seines Körpers, dargeboten mit Wiener Schmäh, Zitaten und bekanntem Liedgut, sei jedermann und jeder Frau ans Herz gelegt, gleich in welchen medizinischen Status’. Wie erklärten Zuschauer: „Zum Plärren schee“ und „Jetzt weiß ich, was auf mich zukommt.“

 

Das wusste auch Konarek – theoretisch. War er doch durch die Arztodyssee, auf die er sich nach Zusammenbrüchen begab, und Recherchen quasi auf Du und Du mit jenem Pro-Hormon, das auf Herzinsuffizienz hinweist. „Ich hatte 1500 NT-pro-BNP pro Milliliter im Blut, normal wäre 160“, so Konarek. „Worauf mein Kardiologe erklärte: Na das ist doch mal ein Wort!“ Was wiederum Kies beschwingt in die Tasten des Knopfakkordeons greifen ließ, um rührselig „Herzilein, du musst nicht traurig sein“ der Wildecker Herzbuben zu intonieren.

Die Rechnung für sechzig Jahre essen, trinken, schaffen, sumpfen

So viel Fallhöhe hätte der Dichter Robert Gernhardt wohl goutiert. Seine Bypass-OP hielt er in dem Gedichtzyklus „Herz in Not: Tagebuch eines Eingriffs in einhundert Eintragungen“ fest. Mit den Beobachtungen dieses Komplizen im Geiste, Leibe und Leiden sezierte Konarek so ironisch scharf wie bittersüß, auf und vor Messers Schneide, was „prä-op“ und „post-op“ passierte, untermalt von Chorälen wie „Näher mein Gott zu dir“ und Witze über Ärzte, die auf dem Friedhof Inventur machen. Kein Wunder, ward der Patient doch malträtiert mit „kann sein oder auch nicht“-Sprüchen, Putzfrauen mit Medizin gegen Stuttgarter Feinstaub, tauben Zimmergenossen, Krankenhauskost nach dem Kochbuch „wie koche ich besonders scheiße“ – und Beschwichtigungen von Freunden und Kollegen, so ein Bypass sei was ganz Normales. „Man schämt sich ja regelrecht ohne!“, schrieb schon Gernhardt.

Mit ihm sinnierte Konarek zudem über Essverhalten. „Ich bringe die Rechnung für knapp sechzig Jahre gut Essen, schön Trinken, stramm Schaffen, träg Sitzen, hoch Fliegen, tief Sumpfen: Bitte hier, links oben quittieren.“ Was hat man nicht so alles genossen, Gabelfrühstück, den Heurigen und die Königin der „Mehlspeis“, die „Powidldatschkerln“! Grund genug, die Dreißiger-Jahre-Hymne an die Teigtaschen mit Pflaumenmus „aus der schönen Tschechoslowakei“ zu kredenzen, um danach in der Reha am Bodensee die Bypass-Hierarchie – wer nur drei hat, ist Kassenpatient – kennenzulernen und im Ernährungskurs zu üben, wie aus einem Stück Schokolade im Mund zwei werden, zwischen Obst und Gemüse. Wird die Ehefrau zukünftig rufen „Schatz, komm’, das Essen wird welk“? Hinterher ist man immer klüger. Auch bei Konarek. Ihm gelang, was Gernhardt gerne zugeschrieben wurde: der Spagat zwischen Kunst und Kalauer im besten Sinn, kurz, nicht zu „jeiern“, indes den Ernst des Lebens in den Witz des Wortes zu verpacken, und damit leichter verdaulich zu machen. Frei nach Goethe: „Ein fröhlich Herz lebt am längsten.“