Eklat beim Erörterungsverfahren zum Grundwassermanagement: Das Regierungspräsidium setzt das Verfahren aus und sucht einen neuen Termin. Der Grund: Verhandlungsleiter und Regierungsdirektor Joachim Henrichsmeyer hatte sich 2011 pro Stuttgart 21 bekannt.

Stuttgart - Das auf drei Tage angesetzte Erörterungsverfahren zum Grundwassermanagement ist am Dienstagnachmittag mit einem Eklat zu Ende gegangen. Die Verhandlung im Apollo-Theater wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart (RP) auf Antrag der Bahn abgebrochen, nachdem bekannt geworden war, dass der Verhandlungsleiter und Regierungsdirektor Joachim Henrichsmeyer im November 2011 in einer Zeitungsanzeige einen Aufruf für Stuttgart 21 unterschrieben hatte. Im selben Monat hatte sich der Jurist zudem in einem Internetblog des Evangelischen Medienhauses abwertend über die Projektgegner geäußert und diese als „Gestalten“ bezeichnet, die „plötzlich wie schaumgeboren auf der Baustelle stehen“.

 

Nachdem diese, zunächst von Henrichsmeyer teilweise abgestrittenen Vorwürfe belegt worden waren, berieten Vertreter der Bahn und des RP auf offener Bühne über das weitere Vorgehen. Nach einer Viertelstunde ergriff der Bahn-Rechtsanwalt Josef-Walter Kirchberg das Wort und erklärte, dass die Erörterung nicht mehr in der notwendigen sachlichen Atmosphäre ablaufen könne. Das Regierungspräsidium solle die Veranstaltung vertagen. Michael Trippen, der Leiter der Planfeststellungsbehörde des RP, der die Sitzungsleitung übernahm, sagte, dass seine Behörde die Anregung der Bahn aufgreife und die Erörterung verschiebe.

Wann die neue Anhörung sein wird, will die Behörde „zeitnah“ bekannt machen

In einer Mitteilung erklärte das RP am Abend, dass in der Erörterung schon der Anschein mangelnder Objektivität vermieden werden solle. „Die Einwendungen sollen in sachlicher und konstruktiver Atmosphäre beraten werden können. Das war vor Ort in erforderlichem Maß nicht mehr gegeben“, hieß es. Wann die neue Anhörung sein wird, will die Behörde „zeitnah“ bekannt machen. Der Termin werde aber nicht in den Sommerferien liegen, sagte Trippen, der auch kaum verhohlen Kritik am Versammlungsleiter Henrichsmeyer übte. Die Erörterung sei von Anfang an nicht idealtypisch abgelaufen, sie hätte für die Zuhörer „optimaler gestaltet“ sein können. Aus dem Regierungspräsidium hieß es am Abend bezogen auf die Blog-Einträge, auch Beamte hätten das Recht auf eine private Meinung. Ob es klug gewesen sei, sich in dieser Weise zu äußern, stehe auf einem anderen Blatt. Henrichsmeyer werde nun zunächst angehört, danach werde über eine Befangenheit entschieden. Zur Frage, nach welchen Kriterien die Leiter solcher Erörterungen ausgesucht und benannt werden, wollte ein Behördensprecher keine Angaben machen. Er verwies aber darauf, dass Henrichsmeyer bereits bei anderen Anhörungen im Einsatz gewesen sei.

Vertreter der Einwender und S-21-Kritiker begrüßten die Entscheidung des Regierungspräsidiums, kritisierten aber, dass Behördenchef Johannes Schmalzl (FDP) die bisherigen Befangenheitsanträge gegen Henrichsmeyer abgelehnt habe. Am Abend ließ S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich mitteilen, die Bahn „bedauere sehr, dass bei der Durchführung des Erörterungstermins eine Stimmung entstanden ist, die eine sachgerechte Vorstellung der Pläne ausgeschlossen hat“.

Zum neuen Termin sollen vollständige Stellungnahmen vorliegen

Nach zwei Stromausfällen im Apollo-Theater, die zu einer längeren Unterbrechung der Veranstaltung geführt hatten, hätten eigentlich die ersten Fachvorträge der Experten des Naturschutzverbands BUND auf der Tagesordnung gestanden. Doch bevor der Wiener Geologe Josef Lueger sich mit dem sogenannten Grundwasserströmungsmodell der Bahn befassen konnte, wurde in einem der Befangenheitsanträge der Projektgegner der besagte Internetbeitrag des Verhandlungsleiters verlesen. Henrichsmeyer unterbrach die Sitzung daraufhin für eine halbe Stunde, um sich mit seinem Abteilungsleiter und dem Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl zu beraten. Anschließend wollte er die Sitzung aber fortsetzen, da laut RP keine Befangenheit vorliege und der Beitrag zudem aus dem Kontext gerissen worden sei, so Henrichsmeyer.

In einem weiteren Befangenheitsantrag wurde die Frage nach der Zeitungsanzeige vom 19. November 2011 gestellt, in der sich im Vorfeld der Volksabstimmung mehr als 400 Unterzeichner im „Esslinger Appell“ für Stuttgart 21 aussprachen. Die Frage, ob auch er zu den Unterzeichnern gehöre, verneinte der Regierungsdirektor. Nachdem ihm die Anzeige vorgelegt wurde, begannen erneut die Beratungen, die schließlich zum Ende der Anhörung führten.

Zum neuen Termin sollen auch die vollständigen Stellungnahmen des städtischen Umweltamtes sowie des Landesamtes für Geologie in Freiburg vorliegen. Die fehlenden Gutachten der Fachbehörden hatten im Vorfeld der Erörterung einen handfesten Streit zwischen dem Regierungspräsidium und dem Umweltministerium des Landes ausgelöst, das die Erörterung bis zur Abgabe der Stellungnahmen verschieben wollte. Diesem Antrag waren während der Verhandlung auch etliche Einwender gefolgt. Das Regierungspräsidium hatte die Ansicht vertreten, dass die Änderungsunterlagen der Bahn „vollständig und erörterungsreif sind“.