Marc Antonio macht mehr als nur Bilder von nackten Männern. Der Fotograf will Geschichten erzählen. Und es sind nicht so sehr die sexuellen Reize, mit denen er eine erotische Atmosphäre schafft. Zu sehen in der Galerie Nieser.

Degerloch - Sein Lieblingsbild ist nachts am klassisch-griechischen Tempel von Kap Sunion entstanden. Marc Antonio feierte dort vor drei Jahren in seinen 36. Geburtstag hinein. Ein paar Zäune und Videokameras konnten ihn und seine Muse nicht aufhalten. Nun stemmt sich da der athletische Körper eines schönen nackten jungen Mannes gegen eine der erhabenen Säulen, als müsse er sie stützen, wie Herkules, wie Atlas. Der Chemnitzer Fotograf eröffnete vor Kurzem vor der Degerlocher Fotogalerie Norbert Nieser seine Ausstellung mit Männer-Akten.

 

Der erotischen Fotografie ist die ganze Saison gewidmet. Aber als Norbert Nieser eher zufällig dem jungen Chemnitzer Lichtbildner mit dem klassischem Künstlernamen begegnete, war ihm aufgefallen, dass er in den 15 Jahren seiner Galerie noch nie nackte Männer gezeigt hatte, Bilder vom Mann.

Mehr als nur Männerbilder

Marc Antonio will Geschichten erzählen. Natürlich macht er mehr als nur Männerbilder: Porträts, Mode, People, Lifestyle, Stillleben und Street Photography in der als grau und trist verrufenen sächsischen Industriestadt, die – als er dort geboren wurde – noch nach Karl Marx benannt war. Aber sein Name, nach dem Liebhaber der Kleopatra gewählt, ist auch Programm. Und wenn man dabei an Richard Burton denkt, der neben seiner Amour fou Liz Taylor den römischen Feldherrn im Film darstellte, liegt man auch nicht falsch.

Marc Antonios Motive lehnen sich nicht nur an die Mythenwelt der griechisch-römischen Antike und an die italienische Renaissance von Michelangelo und Leonardo da Vinci an, sie sind auch mit der Moderne und ihren eigenen Medien und Mythen verbunden. Der Regisseur Federico Fellini ließ die kurvenreiche Anita Ekberg im römischen Trevi-Brunnen baden, Marcello Mastroianni schaute in „La dolce vita“ gebannt zu. Die erotische Faszination dieser ikonischen Szene lässt sich auch mit einem männlichen Modell aufrufen. Schwarzweiß natürlich, wie der Film. Fast schon scheu spielt Marc Antonio auf das Knabenliebe-Epos eines Thomas Mann an, den „Tod in Venedig“. Der sterbenden Lagunenstadt hat der Fotograf ganze Zyklen gewidmet.

Man Ray lässt grüßen

Auch der Großmeister der erotischen Fotografie wird im angedeuteten Zitat gedacht. Da ersteht die provozierende Kraft des Frauen-Power-Ästheten Helmut Newton genauso wieder auf wie die plastische Erhabenheit in den Körperbildern des schwulen Robert Mapplethorpe. Man Ray lässt für die Libertinage der Zwanzigerjahre grüßen. Norbert Nieser wies in seiner Rede auch noch auf den Wilhelm von Gloeden hin, den bis heute dort verehrten und mit Postkarten verkauften schwulen Aktfoto-Pionier, der im sizilianischen Taormina Knaben für Fotos posieren ließ, die heute unter ein Edathy-Tabu fallen würden.

Marc Antonio macht keine halb-pornografischen Bilder. Es sind nicht so sehr die sexuellen Reize, mit denen er eine erotische Atmosphäre schafft. Manchmal wirken seine sorgsamen Inszenierungen so, als wolle er das Geschlecht sogar kaschieren. Das macht er mit der Lichtführung, nicht mit Photoshop-Retusche. Aber wer die meist mittelformatigen Bilder im Detail betrachtet, kann in der körperkultigen Plastizität sogar mal einen erigierten Penis ausmachen. Und dann verschwindet so ein athletischer männlicher Körper oft auch fast ganz in einer überwältigenden geologischen oder botanischen oder antikisch-archäologischen Struktur.

Die Fülle der Reize mag den Betrachter betäuben

Es mag sein, dass die meist eher kleinformatigen Bilder, darunter auch ein paar in Farbe, ein wenig dicht gehängt sind, den Blick der Betrachter in der Fülle der Reize betäuben. Aber es war in der Galerie nach all den Jahren doch mal Zeit für den männlichen Akt.