Im deutschen Nationalteam macht fast nur noch der Stürmer Mario Gomez einen fitten Eindruck - der Rest der Mannschaft benötigt dringend Urlaub.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Wien - Nur noch ein Spiel. Das ist die gute Nachricht. Jedenfalls für die meisten deutschen Fußball-Nationalspieler, die sich dem Ende eines Arbeitsjahres entgegenschleppen. Nur noch ein Spiel ist aber auch die schlechte Nachricht. Zumindest für Mario Gomez, der wie beim 2:1 gegen Österreich weiter trifft und trifft.

 

Angesichts seines Laufs könnte für den zweifachen Torschützen die Runde also über das letzte EM-Qualifikationsspiel vor der Sommerpause Dienstag (19 Uhr/ARD) in Aserbaidschan hinausgehen. Doch der Bundestrainer hat schon vor der Begegnung in Wien gespürt, dass bei einer Reihe seiner Schützlinge die gewohnte Dynamik fehlte. "Bei einigen hat in der Schlussphase der Saison auch die Verletzungsanfälligkeit zugenommen", sagte Joachim Löw.

Die Kraft- und Personalreserven scheinen aufgebraucht

Der flotte Freundschaftsvergleich gegen Uruguay kurz zuvor täuschte demnach nur ein wenig über die Strapazen der vergangenen Monate hinweg, weil die Südamerikaner bereit waren mitzuspielen und Räume zu gewähren. Die Österreicher waren allerdings überhaupt nicht dazu bereit, auch nur einen Quadratzentimeter des Rasens im Happelstadion widerstandslos preiszugeben. Was zum erneuten Beleg führte, wie schwer es ist, spielerische Leichtigkeit auf den Platz zu zaubern. Gerade wenn der Körper zwar noch gute Fitnesswerte angibt, dem Geist aber die mentale Frische abgeht, die es braucht, um schnell zu spielen.

Vielleicht vollzieht sich das Zusammenspiel zwischen Kopf (frei) und Beinen (schwer) bei manchem Akteur auch genau umgekehrt. Doch das ist Löw ziemlich egal. Die Kraft- und Personalreserven scheinen aufgebraucht, weshalb der Bundestrainer erst einmal ein Regenerationstraining verordnete. Auslaufen, Einkaufen, Ausgehen. Alles, um für den Auftritt in Baku noch einmal alle Energie zu bündeln.

Lange Reise, Zeitumstellung, Pflichtaufgabe

"Aserbaidschan bringt eine hohe Laufbereitschaft mit und kann auch körperbetont spielen", sagt Löw mit Verweis auf die Widrigkeiten, die auf die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gegen Berti Vogts' Team zukommen. Lange Reise, Zeitumstellung, Pflichtaufgabe. Einen Zweifel, dass die Mannschaft sich nicht fokussieren könnte, hegt der Bundestrainer jedoch nicht. Trotz der immensen Belastungen, die vor allem hinter den WM-Stars liegen.

Philipp Lahm absolvierte seit der Weltmeisterschaft 2010 im vergangenen Sommer ein Pensum von 56 Partien oder 4990 Spielminuten. Nur zweimal (in Tests gegen Italien und Uruguay) wurde der Verteidiger ausgewechselt. Sami Khedira bringt es trotz einer sechswöchigen Verletzungspause immerhin auf 48 Saisonspiele (3750 Minuten). Selbst Toni Kroos - in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gerade ein Vielspieler - kommt noch auf 46 Einsätze (2951 Minuten).

Gomez strotzt vor Selbstvertrauen

Und Löws Hinweis, dass Gomez nicht das absolute Mammutprogramm bestritten habe, und deshalb noch größeren Tatendrang zeige, greift nur bedingt. Denn der Stürmer, der zu Saisonbeginn auf der Bank saß, kann auf 52 Einsätze (3866 Minuten) verweisen. Doch Gomez strotzt vor Selbstvertrauen, was zum Abschluss womöglich wichtiger ist als der körperliche Zustand. Das ist mit ein Grund, warum Löw vor dem Ausfall von Miroslav Klose mit der Variante liebäugelte, im 4-4-2-System aufzustellen.

Das ist eine Möglichkeit, die fast schon in Vergessenheit geraten ist, da es ja im 4-2-3-1 so gut läuft und weiterlaufen soll. "Wenn wir in Aserbaidschan gewinnen und 21 Punkte auf dem Konto haben, dann wäre das eine überragende Leistung", sagt Löw, der in seinem ohnehin geschrumpften Kader jetzt auf die angeschlagenen Mittelfeldspieler Sami Khedira und Simon Rolfes verzichtet. Dafür wurden Sebastian Rudy (Hoffenheim) und Lewis Holtby (Mainz) nachnominiert. Sie kamen am Sonntagnachmittag zum Training nach Wien, von wo es nach Baku weitergeht. Ersatztorwart Tim Wiese reiste wegen einer Operation seines Vaters bereits ab.

Doch auch der letzte Eindruck zählt. Selbst wenn das DFB-Team in der EM-Qualifikationsgruppe A praktisch durch ist. Allerdings ist es ihr noch nie vergönnt gewesen, alle Partien auf dem Weg zur EM-Endrunde zu gewinnen - was sich gut als neues Ziel formulieren ließe. Und der Mehrwert der deutschen Elf gegenüber früheren Jahren liegt ja darin, dass Ausfälle wichtiger Spieler erfolgreicher kompensiert werden. Trotz der Sehnsucht nach Erholung.