Im Interview mit der StZ hatte Integrationsministerin Bilkay Öney gesagt, die Kommunen würden Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge nicht ohne Gegenleistungen akzeptieren wollen. Dafür steht sie jetzt in der Kritik.

Stuttgart - Der kritische Hinweis von Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) im StZ-Interview am Montag, die Kommunen im Land sperrten sich gegen die Einrichtung von Erstaufnahmestellen (LEA) zur Aufnahme von Flüchtlingen, hat ein negatives Echo gefunden: „Land und Kommunen sind auf eine gute Zusammenarbeit bei der Unterbringung von Flüchtlingen angewiesen. Da helfen Twittern und öffentliches Rumkritisieren nicht weiter“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne).

 

Irritiert hat die Opposition im Land das Eigenlob, sie und ihr Ministerium leisteten ganze Arbeit bei der Unterbringung von Flüchtlingen, sowie die Erinnerung an die Kommunen, es sei ihre Pflicht, „genügend Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen“ – und falls es einen Mangel gebe, darauf schnell zu reagieren. Die Ministerin hob hervor, das Land habe dafür erst 30 Millionen Euro Bauförderung gewährt und somit seine „Hausaufgaben“ erledigt. „Das ist kein Geld vom Land“, korrigiert Gerhard Mauch vom baden-württembergischen Städtetag. Die Mittel stammten vom Bund und seien im Rahmen des Entflechtungsgesetzes gewährt worden.

Öney leistet „Offenbarungseid“

Der CDU-Landtagsabgeordnete Bernhard Lasotta sprach im Zusammenhang mit dem Interview von einem „Offenbarungseid“. Die Integrationsministerin Öney verkenne den Ernst der Lage. „Vor allem die vielen ehrenamtlichen Helfer fühlen sich im Stich gelassen, und die ersten beginnen, ihren Dienst zu quittieren.“

Das Land ist für die Erstaufnahme von Flüchtlingen zuständig. Dafür hat es große Unterkünfte (LEA) eingerichtet. Die Zustände sind dort wegen des starken Andrangs – und trotz der Leistungen des Ministeriums – chaotisch, in Heidelberg oder Meßstetten etwa sind die Unterkünfte dramatisch überbelegt.

„Der Frontalangriff auf die Kommunen“ zeuge von „ihrer eigenen Überforderung“, erklärte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Mit dem Ausbau der Aufnahmekapazitäten sei zu spät begonnen worden. „Nun will Öney von ihrem Versagen ablenken, indem Sie den Schwarzen Peter ausgerechnet den Kommunen zuschiebt, die von der Landesregierung lediglich einen verantwortungsvollen Umgang fordern.“

„Die Äußerungen nicht so hoch hängen“

Gerhard Mauch vom Städtetag hob hervor, dass die Erstaufnahme von Asylbewerbern eine staatliche Aufgabe sei. Die Situation in den Lagern sei katastrophal, da gelte es jetzt, kühlen Kopf zu bewahren. „Man sollte die Äußerungen nicht so hoch hängen“, rät er. In der Sitzung der beim Flüchtlingsgipfel eingerichteten Lenkungsgruppe am Dienstag werde sicher darüber gesprochen. Die Kommunen sind für die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge zuständig. Die Stadt Stuttgart muss seit Kurzem pro Monat 307 Personen aufnehmen. Ende 2015 ist von 6000 Flüchtlingen auszugehen. Es gibt momentan aber nur etwa 4900 Plätze. In diesem und im nächsten Jahr müssen somit weitere 3650 Plätze geschaffen werden. Derzeit verhandelt Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) mit dem Land über die Einrichtung einer LEA für 650 Personen im Bürgerhospital.

Die Stadt fordert wie viele andere LEA-Kommunen auch, weniger Flüchtlinge im Zuge der Anschlussunterbringung zugeteilt zu bekommen. Karlsruhe war bis Jahresende komplett befreit gewesen (LEA-Privileg), seitdem, so Mauch, würden Kompensationen individuell ausgehandelt; sie dürften bei „plus minus 50 Prozent“ der Quote liegen. Für Stuttgart würde dies pro Jahr eine Minimierung um rund 1800 Flüchtlinge bedeuten. Eine Entscheidung soll in einigen Wochen fallen, der Gemeinderat werde dazu gehört, hat Föll dem Gremium mitgeteilt.

Ein Sprecher Öneys hatte das „LEA-Privileg“ in der vergangenen Woche bestätigt und betont, dass es weiter Bestand haben werde. Umso überraschter sind jetzt die Vertreter der Kommunen über die Aussage Öneys, „auf einen solchen Handel will und kann ich nicht eingehen“. Eine neuerliche Anfrage ans Ministerium zur Klärung blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.