Die Gemeinschaftsschule ist eigentlich nichts für unsere Schüler, dachten sich die Lehrer der Walther-Hensel-Schule in Göppingen – und haben sich einen ganz neuen Schultyp ausgedacht.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Hauptschule, Werkrealschule, Gemeinschaftsschule – und jetzt auch noch Sekundarschule? Was das Kollegium der Göppinger Walther-Hensel-Schule in den vergangenen Monaten erdacht hat und vom Schuljahr 2015/16 an als Modellversuch praktizieren möchte, dürfte zunächst einmal für neue Verwirrung in der mittlerweile recht kunterbunten Schullandschaft sorgen. Doch eigentlich, so sagt Klaus Bühler, der Leiter der Werkrealschule im Göppinger Nordosten, beabsichtige man das Gegenteil. „Wir wollen das undurchsichtige System für Göppingen einfacher machen.“

 

Nur noch zwei Schultypen

Hier die Gymnasien, dort die Sekundarschulen: darin sehen Bühler und sein Kollegium ein zukunftsfähiges Modell. „Alle reden doch von einem zweigliedrigen System.“ Deshalb kommt die Sekundarschule auch – anders als die Gemeinschaftsschule – ohne gymnasialen Bestandteil aus. In Anbetracht von vier Gymnasien in der Stadt sei es illusorisch, dass an einer Göppinger Gemeinschaftsschule Kinder mit Gymnasial-, Realschul- und Werkrealschulempfehlung zu gleichen Teilen vertreten seien. In kleineren Orten, in denen Gymnasien fehlten und schwer zu erreichen seien, sei dies vermutlich anders.

In erster Linie denken die Lehrer aber an die Schüler, die bisher die Walther-Hensel-Schule besuchen. Für sie sei die Gemeinschaftsschule „nicht ideal“, so die einhellige Meinung im Kollegium. In dem vom Kultusministerium propagierten Modell sitzen Schüler verschiedener Niveaustufen nebeneinander. Der Lehrer muss dem unterschiedlichen Lerntempo Rechnung tragen, widmet sich mal den einen, mal den anderen Kindern. Dies erfordert freies Arbeiten. „Das ist aber nichts für unsere Schüler“, sagt Bühler. „Sie brauchen klare Strukturen und eine klare Führung.“ Dies gelte nicht zuletzt für die Kooperationsklassen, die vor 15 Jahren an der Walther-Hensel-Schule eingerichtet wurden, um Kinder ohne Sprachkenntnisse Schritt für Schritt in die Regelschule zu integrieren.

Chance für schwache Schüler

Um schwächere und eher praktisch begabte Schüler zu motivieren, wollen Bühler und seine Kollegen nach einer Orientierungsstufe in Klasse fünf und sechs auf Praxiskurse setzen, in denen die Kinder sich beruflich orientieren können. Dabei wird eng mit den beruflichen Schulen kooperiert. „Wir sehen das auch als Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels“, sagt Bühler. Drei Abschlüsse sollen am Ende möglich sein: ein Werkrealschulabschluss nach der neunten Klasse, einer nach der zehnten Klasse für schwächere Schüler, und der Realschulabschluss.

Ob die Walther-Hensel-Schule Letzteren vergeben darf, ist der springende Punkt, wenn der Modellversuch demnächst vom Göppinger Schulamt dem Kultusministerium zur Genehmigung vorgelegt wird. Als im vergangenen Jahr die Albert-Schweitzer-Schule zur Gemeinschaftsschule aufstieg, war Oberbürgermeister Guido Till (CDU) noch dagegen. Vom Sekundarschulmodell ist er jetzt begeistert und sagt: „Wenn die Albert-Schweizer-Schule die Mittlere Reife vergeben darf, muss das auch der Walther-Hensel-Schule erlaubt sein.“ Im Kultusministerium will man sich dazu noch nicht äußern. Allerdings sei auch die Gemeinschaftsschule eine Innovation, die ursprünglich aus den Schulen heraus gekommen sei.