Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut wird bei den hochoffiziellen Terminen in der USA stets von einer Dolmetscherin begleitet – nicht nur der Übersetzungen wegen.

Washington - Aufmerksam verfolgt Ulrike Wiesner die Debatte, greift hier und da ergänzend ein, hat zur rechten Zeit das passende Wort parat. Bei den hochoffiziellen Terminen im Rahmen der USA-Reise ist die 74-jährige Dolmetscherin an der Seite von Nicole Hoffmeister-Kraut. Beispielsweise wenn Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin an der Spitze einer Delegation mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft mit Kay Ivey, der Gouverneurin von Alabama, über die Investitionen Daimlers und anderer Autofirmen in dem Bundesstaat spricht. Oder wenn sie in Washington mit Vertretern der Regierung von US-Präsident Donald Trump kontrovers diskutiert, unter welchen Bedingungen in Zukunft der weltweite Handel ablaufen soll. Nicht dass es Hoffmeister-Kraut auf ihrer USA-Reise nicht verstünde, sich fließend auf Englisch mit ihren Gesprächspartnern auszutauschen – selbst wenn sie ab und an nach der exakten Formulierung sucht; in solchen Fällen hilft Wiesner dezent.

 

Machtpolitische Überlegungen

Hinter der Entscheidung, sie zu den offiziellen Gesprächen stets mitzunehmen, stecken vielmehr machtpolitische Überlegungen, sagt Wiesner. Die gebürtige Österreicherin lebt mittlerweile seit mehr als 40 Jahren in den USA und beherrscht Englisch wie ihre Muttersprache. Wie Wiesner erklärt, ist es der Ministerin dadurch möglich, ihren Gesprächspartnern verbal auf Augenhöhe zu begegnen. Hoffmeister-Kraut kann ihre Position im Detail in ihrer Muttersprache vertreten, Wiesner übersetzt. Eine Strategie, die sie für unverzichtbar hält, angesichts der meist wortgewandten und in ihren Positionen bestens geschulten US-Sparringspartnern. „Wenn ein Deutscher im Gespräch nach einem englischen Begriff suchen muss, gerät er unweigerlich ins Hintertreffen, weil der Redefluss stockt“, sagt Wiesner. „Worte werden zur Machtfrage, und eine deutsche Ministerin ist schließlich keine Bittstellerin.“

Der „Dolmetscher-Trick“ wird auf der politischen Bühne gerne angewendet – auch wenn nicht alle Politiker sofort davon begeistert sind, sich von einem Übersetzer unterstützen zu lassen. Wiesner erzählt von der Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries, die von der deutschen Botschaft erst davon überzeugt werden musste, dass es eben kein Zeichen von Schwäche ist, bei politischen Gesprächen in Washington Sprachenprofis dabeizuhaben, sondern dem Auftritt eher Gewicht verleiht.

Eigentlich seit 17 Jahren im Ruhestand

Wiesner, die eigentlich seit 17 Jahren in Rente ist, hat Latein und skandinavische Sprachen studiert. Sie hat unter anderem bei der Weltbank in New York als Personalleiterin für Lateinamerika gearbeitet. Nach ihrem Berufsausstieg hat sie Dolmetscherin an der Georgetown University in Washington studiert. Die US-Hauptstadt bietet angesichts des internationalen Politikbetriebs und der vielen Interessengruppen, die permanent versuchen, sich Gehör zu verschaffen, ein riesiges Betätigungsfeld. Auch als Experten im VW-Dieselskandal vor den staatlichen Ausschüssen gehört wurden, war Wiesner dabei, denn sie wird gerne engagiert, wenn es auf jedes Wort ankommt.