Es knallt laut hinter der Bühne und die Opernbesucher werden nach draußen geschickt: Mit einer Panne haben in Bayreuth die Richard-Wagner-Festspiele begonnen.

Es knallt laut hinter der Bühne und die Opernbesucher werden nach draußen geschickt: Mit einer Panne haben in Bayreuth die Richard-Wagner-Festspiele begonnen.

 

Bayreuth - Die „Tannhäuser“-Inszenierung von Regisseur Sebastian Baumgarten wird in die Geschichte der Bayreuther Festspiele eingehen. Soviel ist seit Freitagabend klar. Ärgerlich für den Regisseur ist nur, dass das mit seiner Interpretation von Richard Wagners berühmtem Sängerkrieg nur sehr bedingt zu tun hat.

Weil ein Käfig, der den Venusberg darstellen soll, sich in der ersten Szene nicht hochfahren ließ, musste ausgerechnet die Eröffnungspremiere fast eine Stunde lang unterbrochen werden. Eine einzigartige Panne auf dem Grünen Hügel. Fast 170 Jahre nach der Uraufführung in Dresden eine „Weltpremiere“, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sagte: Ein „Tannhäuser“ mit drei Pausen.

Blanco geht früher

Auch wenn die Zuschauer, darunter Roberto „Ein bisschen Spaß muss sein“ Blanco, der allerdings ab Akt zwei nicht mehr gesehen war, die Panne mit Humor nahmen, gilt für Baumgarten damit frei nach Ex-Fußballer Jürgen Wegmann: Erst hatte er kein Glück - und dann kam auch noch Pech dazu.

Denn sein „Tannhäuser“ hatte es von Anfang an nicht leicht beim Bayreuther Publikum. Im Premierenjahr 2011 wurde die Inszenierung, die in einer Biogasanlage spielt, von den Zuschauern gnadenlos niedergebuht und von der Kritik verrissen. Mit dem Dirigenten Thomas Hengelbrock kam kein Vertrag für das zweite Jahr zustande, also sprang Christian Thielemann ein, bevor für Jahr drei und vier Axel Kober verpflichtet wurde, der als gebürtiger Kronacher fast ein Heimspiel am Pult hatte.

Inzwischen ist auch klar, dass Baumgartens „Tannhäuser“ 2015 vom Bayreuther Spielplan weichen muss - nach verhältnismäßig kurzer Verweildauer. Hans Neuenfels’ Ratten-„Lohengrin“ ist älter - und darf trotzdem noch bleiben.

Publikum zeigt wenig Mitleid

Dass ausgerechnet in seinem letzten Jahr in Bayreuth, in dem dem „Tannhäuser“ die Ehre zuteilwurde, die Festspiele zu eröffnen, auch noch die Technik versagt, hat fast tragische Komik. Mitleid mit dem Regisseur hatte das Publikum trotzdem nicht. Auch in Jahr vier musste Baumgarten nach der Aufführung ein Buh-Konzert über sich ergehen lassen. Gefeiert wurden dagegen der Chor (Leitung: Eberhard Friedrich), Markus Eiche als Wolfram von Eschenbach und Camilla Nylund als Elisabeth. Der Applaus für Torsten Kerl als Tannhäuser fiel - passend zu seiner blassen Performance - deutlich gedämpfter aus.

Baumgarten hatte an seiner umstrittenen Inszenierung nicht viel geändert - bis auf die erzwungene Improvisation zu Beginn. Dabei konnte der defekte Venusberg in Form eines Affenkäfigs nicht mehr in die Höhe gefahren werden und Tannhäuser musste Venus (Michelle Breedt) auf dem Boden der Tatsachen klar machen, dass er sie verlassen und in die echte Welt zurückkehren will. Die Hoffnung einiger Zuschauer, die oft verspotteten Kaulquappen-und/oder-Spermien-Kostüme, in denen bedauernswerte Statisten über die Bühne robben müssen, könnten bei der Panne in Mitleidenschaft gezogen worden sein, zerschlug sich.

Auch im vierten Jahr der Inszenierung musste sich das Publikum wieder ansehen, wie der junge Hirt (Katja Stuber) völlig betrunken über die Bühne torkelt und Usain Bolt imitiert oder wie die schwangere Venus beim Sängerwettstreit auf der Wartburg auftaucht und Balztänze vollführt. Auch die Frage, warum genau die Wartburg eine Biogasanlage sein soll, beantwortete die Inszenierung nicht.

Doch auch wenn die Panne bei der Eröffnungspremiere die Festspielleitung in Aufregung versetzt haben dürfte, ein Gutes hatte sie doch für Katharina Wagner und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier. Die Panne übertönte sogar das Hick-Hack mit und um „Ring“-Regisseur Frank Castorf, der auch am Rande der Premiere - entspannt in Leinenhose, Turnschuhe und eine Jeansjacke gekleidet - noch einmal seinem Ärger süffisant und genüsslich Luft gemacht hatte.

Er rede natürlich noch mit den Wagner-Schwestern, sagte er. Allerdings werde er, wenn im kommenden Jahr versucht werde, Einfluss auf seinen „Ring“ zu nehmen, Konsequenzen ziehen müssen. „Ich drohe nicht, aber ich sage, was sich nicht gehört“, sagte der Intendant der Berliner Volksbühne. Castorfs umstrittener „Ring“ startet an diesem Sonntag mit dem „Rheingold“. Vorher gibt es noch den deutlich weniger umstrittenen „Fliegenden Holländer“ - und damit Gelegenheit für das Bayreuther Publikum, nach dem spektakulären Pannen-Auftakt kurz durchzuatmen. Der Satz des Abends kam von Kulturstaatsministerin Grütters: „Ein bisschen Spektakel muss sein auf dem Grünen Hügel.“