Zur Versöhnung bietet Tübingens OB Boris Palmer einem Wirt an, bei ihm zu kellnern. Sie waren über einen Platz an der Sonnenterrasse in Streit geraten. Die Kritik Palmers am schlechten Service bleibt bestehen, und auch dass er – ganz der Papa – „für sei Sach’ kämpft“.

Tübingen - Ich habe mich entschlossen bei Facebook aufzuhören“, postete Boris Palmer, „wir sehen uns im wirklichen Leben.“ Diese Nachricht nahmen einige enge Parteifreunde des Tübinger Oberbürgermeisters, die die Facebook-Ausflüge des Grünen zu fürchten gelernt hatten, zunächst mit Erleichterung auf. Doch Palmers Weggefährten hatten sich zu früh gefreut – der Satz stammt vom 1. April dieses Jahres. Der 42-Jährige kommentierte zufrieden: „Einen guten Aprilscherz erkennt man nicht sofort“.

 

Jetzt ist Palmer überrascht, welch’ hohe Wellen weit über die Region hinaus seine Kritik am Rauswurf durch einen Wirt des Nägelehauses in Onstmettingen (Zollernalbkreis) hervorgerufen hat. „Sie kriaget nix. Fertig“ bekam er zu hören, als Palmer auf der Sonnenterrasse erst nicht bedient wurde und dann über sein Angebot, sein Vesper selbst zur Terrasse zu tragen, mit dem Wirt in Streit geriet. Er postete den Vorfall in Facebook und erntete beste Klickzahlen sowie einen mehrspaltigen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“.

Aufbrausend wie der Remstalrebell

„Aufbrausend, ganz der Papa“, sagen nun manche Tübinger. Und der Sohn des „Remstalrebellen“ Helmut Palmer widerspricht keineswegs: „Mein Vater hat im Streit schon manchen Kunden vom Obststand auf dem Marktplatz vertrieben“. Am nächsten Tag habe der dann zur Versöhnung einen Bund Rettich geschenkt bekommen. „Und weil ich nun mal keinen Rettich habe, biete ich dem Wirt an, einen Nachmittag im Nägelehaus zu kellnern. Selbstverständlich nur auf der Terrasse“, bietet Palmer an. Selbiges schrieb er dem Alb-Gastronomen bereits in einem ausführlichen Brief, der mit den Worten „mit freundlichen Grüßen auf die raue Alb“ endet. Gegenüber der StZ sagte Palmer: „Na ja, da waren eben zwei Sturköpfe aneinander geraten“.

Was dem OB jedoch aufstößt, sind Facebook-Kritiker die ihm vorwerfen, er habe seine Macht als Politiker ausspielen wollen. Das Gegenteil sei der Fall gewesen, er habe sich die Behandlung im Gasthaus als Gast nicht gefallen lassen wollen. „Von meinem Vater habe ich gelernt, kein Duckmäuser zu sein gegenüber der Obrigkeit“, sagt er und zielt in diesem Fall auf den Wirt. „Man kämpft für sei Sach’“, nimmt Palmer erneut auf den Vater Bezug.

Kritik am Service

Aber da ist noch eine zweite Ebene: „Ich wollte eine politische Botschaft setzen“, lässt er wissen. Nämlich die, dass es auf der Alb, dem für ihn schönsten Naherholungsgebiet, mit dem Service nicht überall gut bestellt sei. Im Biosphärengebiet rund um Münsingen sei es schon viel besser geworden, hat er auf seinen Ausflügen festgestellt. Kommentare im „Zollernalb-Kurier“ belegen, dass der sportive Radtourist aus Tübingen mit seiner Kritik nicht alleine ist. Mit Service und Marketing habe das Allgäu seine Krise Ende der Achtzigerjahre überwunden, sagt der. „Das sollten wir auch schaffen“, schreibt Palmer dem Wirt.

Nicht ganz glücklich über sich selbst ist Palmer dagegen mit einem kurzen Besuch in einem Discountgeschäft in der Nähe des Tübinger Bahnhofs. Da sah er sich kurz um, fotografierte mit dem Smartphone und ging ohne Gruß. Das will er nachholen, „da gehe ich noch mal hin“, verspricht Palmer. Und registriert gleichwohl mit Freude, dass seine Idee genau in diesem Räumen einen Jugendklub einzurichten, bei Facebook einen Jubelsturm ausgelöst hat.

Seine Parteifreunde jedenfalls werden in dem bisher sehr ruhigen OB-Wahlkampf vermutlich noch öfter überrascht sein. „Boris kann sich nur selbst schlagen“, heißt es häufig im Hinblick auf die Wahl am 19. Oktober. Ob Facebook seine Chancen erhöht oder nicht – das dürfte strittig bleiben.