Mit einem Symposium und einem eSport-Turnier an der Pädagogischen Hochschule wirbt die Szene dafür, als normale Sportart anerkannt zu werden. Der Markt boomt – und Profis können schon heute reich werden.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Mit Anglizismen sollte man behutsam umgehen, die deutsche Sprache wirkt sonst schnell affektiert. Für Sätze wie: „Das ist gut um den Fight zu forcen, aber er ist unlucky“ bekäme jeder normale Student an jeder normalen Bildungseinrichtung in Deutschland gewaltig einen auf den Deckel, zu Recht. Aber an der Pädagogischen Hochschule (PH) ist an diesem Wochenende nichts normal. Also schreien die zwei Kommentatoren in der Aula munter drauf los: „Guter Hook“; „Jetzt kann er zum Dive ansetzen“; „Das ist die Weakness“; Nächster Kill für Xenon“.

 

Die Zuschauer in den dunklen Rängen schauen gebannt auf die riesige Leinwand, auf der Monster, Magier, Drachen, Herolde und sonstiges buntes Getier gegeneinander kämpfen. Gespielt wird „League of Legends“, und das Publikum ist entzückt. Hin und wieder leuchten Lichtblitze auf, dann überschlägt sich die Stimme der Kommentatoren, und durch den Saal geht ein Raunen. Nur von den Spielern ist nichts zu sehen. Die sitzen nebenan, sie brauchen Ruhe, Konzentration. Oder, wie Tobias Benz es ausdrücken würde: ein „professionelles Mind Setting“, was man mit mentaler Verfasstheit übersetzen könnte.

Die eSportler wollen gemeinnützige Vereine gründen dürfen

Benz ist Student an der PH, früher hat er selbst gespielt. Heute, sagt er, habe er dafür keine Zeit mehr. Denn er ist auch Manager eines erfolgreichen eSport-Teams und Initiator des eBarock, einer Veranstaltung, die es so noch nicht gegeben hat in Deutschland. Das Ziel: „Wir alle dürsten nach einer Struktur.“ Vor allem deswegen haben Benz und seine Mitstreiter von der eSport-AG der Hochschule am Wochenende das eSport-Symposium mitsamt Turnier veranstaltet. Die gesamte Szene sehnt sich danach, als Sportart anerkannt zu werden. Solange der Olympische Sportbund dies nicht tut, können eSportler keine gemeinnützigen Breitensport-Vereine gründen, und das ist ein Problem. Es gebe Profis, Breitensportler, Turniere, Ligen, sagt der Mitorganisator Philip Turian. „Aber wir wollen uns besser vernetzen, brauchen ein Sprachrohr.“

Beim elektronischen Sport treffen sich Menschen zu einem Wettkampf mithilfe von Computerspielen. Beim weit verbreiteten „Fifa“ spielen zwei Kontrahenten auf Spielkonsolen Fußball. Es gibt eSport-Kartenspiele. „League of Legends“ wird weltweit von mehr als 100 Millionen Nutzern gespielt. Profis in den USA oder Asien können auf ein Jahreseinkommen von einer halben Million Euro kommen. In Deutschland sind die Summen noch deutlich geringer, aber auch hier boomt der Markt. Unter anderem der Fußball-Bundesligist Schalke 04 ist mit einer eigenen Mannschaft in den eSport eingestiegen. Sechs Stunden Training benötige ein Profi pro Tag, sagt Benz.

Von Ludwigsburg soll ein Impuls zur weiteren Professionalisierung ausgehen

Dass nun ausgerechnet von Ludwigsburg aus ein Impuls zur weiteren Professionalisierung ausgehen soll, ist kein Zufall. Die eSport-AG der PH war die erste ihrer Art in Deutschland, die Hochschule stellt den rund 30 Spielern die nötige Infrastruktur zur Verfügung – anfangs nach dem Motto: „So lange die nichts kaputt machen, spricht nichts dagegen“, sagt Tek-Seng The, der Leiter des Zentrums für Medien und Informationstechnologie.

Schnell sei aber eine weitere Motivation hinzu gekommen, das Projekt zu fördern. Schon Grundschüler spielen heute „Fifa“ und Co., Jugendliche sowieso. „Es ist wichtig, dass angehende Lehrer wahrnehmen, mit was ihre Schüler sich beschäftigen“, sagt Tek-Seng The, der sich zur alles entscheidenden Frage der eSportler eine Meinung gebildet hat. Ist das Sport? „Sehr vieles spricht dafür“, sagt er.

Um das zu untermauern, wurden für das Symposium Verbandsleute, Sportwissenschaftler, Marketingexperten und Sponsoren eingeladen. Koordination, räumliches Denken, Reaktionsschnelligkeit und Teamfähigkeit sind wichtige Faktoren für den Erfolg. Philip Turian verweist auf eine Studie, wonach der Cortisolspiegel bei eSportlern während des Wettkampfs ähnlich hoch sei wie bei Marathonläufern. Wegen der permanenten Anspannung: Cortisol ist ein Stresshormon.

Profis brauchen besondere Fähigkeiten – und sind daher meist sehr jung

Über die Schulter schauen darf man den „League-of-Legends“-Spielern in Ludwigsburg nicht. Die zehn Teams von Hochschulgruppen und Clubs aus ganz Deutschland agieren in separaten Räumen. Die jeweils fünf Spieler tragen Kopfhörer und tauchen vor den Bildschirmen in die virtuelle Welt ab. Rund eine halbe Stunde dauert es, bis eine Mannschaft die andere niedergerungen hat, das Publikum in der Aula johlt.

Frauen sind eine Seltenheit, das Durchschnittsalter bei Profis: 17 Jahre. „Es gibt auch Spieler, die 26 oder 27 Jahre alt sind“, erzählt Benz. „Aber dann nimmt die Koordinationsfähigkeit stark ab.“ Fast 30 Grad sind es draußen, als am Sonntagnachmittag das Finale beginnt. Noch einmal rasten die Kommentatoren aus angesichts all der Lanes, Jungler und Doublekills. Außenstehende verstehen von der Strategie der Teams ungefähr so viel wie Laien, wenn sie eine Partie von Schachweltmeister Magnus Carlsen im Fernsehen verfolgen. Und Schach ist durchaus ein Maßstab für eSportler, zumindest in einer Hinsicht: Das königliche Spiel ist in Deutschland offiziell als Sport anerkannt.