Alle großen Parteien versprechen, sie wollten die Rechte der Urheber den Verwertern gegenüber stärken. Nur zu. Macht mal! Ich bin gespannt. Zugleich schlagen Grüne und Piraten vor, die international gültige Schutzfrist zu verkürzen. Das sind die 70 Jahre nach dem Tod eines Künstlers, in denen alle Tantiemen an die Erben fallen. Danach kann das Werk veröffentlichen, wer will. Verlage verdienen durchaus gut mit Goethe, Heine oder Karl May. Und warten wir nicht alle darauf, dass die Brecht-Erben endlich ihre Macht über Zitate und Brecht-Aufführungen verlieren (und das tun sie erst 2026)? Das Internet kann wunderbar verwaiste Werke, also solche, deren Urheber nicht mehr ermittelbar ist, vom Friedhof der vergessenen Bücher holen und ins allgemeine Kulturgedächtnis überführen. Das Projekt Gutenberg hat mit Klassikern schon begonnen. Genau das fordern auch alle relevanten Parteien in ihren Papieren zum Urheberrecht.

 

Doch habe ich als Autor meist keine Firma und kein Haus zu vererben, sondern nur mein Werk. Deshalb muss mindestens eine Generation nach mir einen geldwerten Nutzen davon haben. Wer es danach verwertet, sollte den sogenannten Goethe-Pfennig – sagen wir, 1 Prozent pro verkauftem Exemplar –, an eine Verwertungsgesellschaft abführen, die damit Literatur fördert. Könnte also gut werden, eine Reform des Urheberrechts. Über Detailfragen werden wir uns allerdings noch streiten müssen. Und zwar heftig. Über faire Honorare, über den Verteilungsschlüssel bei der Ausschüttung durch Verwertungsgesellschaften, über die Mittel zum Schutz vor Raubkopien.

Keiner kauft E-Books in der Lieblingsbuchhandlung

Mehr Sorgen macht mir derzeit allerdings die Zukunft meines Lieblingsbuchladens. Die Gewinnmargen sind klein. Wenn der Buchverkauf zurückgeht, ist der Laden in der Existenzkrise. Lesungen kann er schon keine mehr bezahlen. Zwar hat er einen Onlineshop, aber E-Books bestellt kaum jemand bei ihm. Umständlich ist es zudem. Deshalb fordere ich Verlage und Buchhandel dringend auf, endlich in die Hufe zu kommen und ein populäres und benutzerfreundliches E-Book-Portal zu entwickeln, das Amazon den Rang abläuft. Denn sonst wird es unsere Buchhandlungen tatsächlich schneller nicht mehr geben, als wir Buch sagen können.

Christine Lehmann schreibt Krimis und Jugendbücher und ist im Vorstand des VS Baden-Württemberg. Hier und hier geht’s zu ihren Blogs.

Andererseits bin ich auch Leserin. Und ich möchte nicht bezahlen für Zeitungsartikel oder Videos, die ich zur Recherche nutze. Und wenn eine schöne Kritik meines letzten Buchs erscheint, möchte ich die auf meiner Internetseite meinen Lesern zur Kenntnis bringen. Und zwar, ohne ein reguläres Honorar an den Rezensenten zu zahlen. Bei zehn Rezensionen würde ich arm. Mache ich nicht auch Werbung für die Zeitung und den Kritiker? Legal ist es nicht. Oder doch? Ist eine Autoren-Seite eine kommerzielle oder eine private? Und was ist mit dem Link auf die Rezension in meinem Facebook-Profil? Facebook ist eine kommerzielle Tauschbörse von Bildern, Texten und Links zu fremden Portalen. Facebook verdient gut, zum Beispiel mit Werbung. Doch den Urhebern zahlt Facebook nichts.

Es sieht aus, als hätten wir wirklich Klärungsbedarf. Und als wäre ein gewisser Schlendrian eingerissen, der jetzt gefährlich wird, weil die Piraten angefangen haben, laut übers Urheberrecht zu reden. Eigentlich ist klar, dass niemand einen Text von einem anderen ohne dessen Erlaubnis veröffentlichen darf. Wenn ich das mache und Pech habe, lässt der Urheber das von einem Anwalt durchsetzen. Das geißeln wir als Abmahnungs-Unwesen. Man hört allenthalben, Eltern müssten für ihre internettenden Kinder plötzlich tausend Euro zahlen. Ob es wirklich jemals so viel war, kann ich nicht verifizieren. Längst regelt der Paragraf 97a im Urheberrechtsgesetz, dass ein zu Recht Abgemahnter beim ersten Mal und in einem einfach gelagerten Fall nicht mehr als 100 Euro Anwaltskosten zahlen muss. Worüber regen wir uns also auf? Diebstahl ist halt verboten. Auch im Internet. Übrigens sind alle in unseren Parlamenten vertretenen Parteien gegen das „Geschäftsmodell Abmahnung“ für Anwaltskanzleien und verlangen die Deckelung der Anwaltshonorare.

„Wir wissen nicht, was wir im Netz zu gewinnen haben“

Wie aber wollen wir Autoren im Internetzeitalter unseren Schnitt machen? Für die Generation „Umsonst und Virtuell“ mag das Argument aus dem Horrorkabinett der Diskussion unter Piraten gut sein, Literatur (Musik, Film, bildende Kunst) sei überhaupt kein geistiges Eigentum, weil der Künstler nur aufnehme, was die Gesellschaft ihm gebe. Charmant, aber sozialnaiv auch der Vorschlag, Künstler müssten eine Grundsicherung erhalten. In den Ideen der Piraten zum Urheberrecht steht davon allerdings nichts. Schade eigentlich, denn die Grundsicherung hätte ich genommen – allerdings nicht, wenn ich gerade einen Bestseller geschrieben hätte.

Die Aussicht auf Bestseller und Weltruhm ist ein nicht zu unterschätzender Antrieb für die Anstrengung des Schreibens. Ein Buch entsteht ja nicht, weil man eine Idee hatte, sondern weil man diese Idee in tage- und monatelanger Arbeit am Computer Satz für Satz in eine lesbare Geschichte umsetzt. Mein Stundenlohn bewegt sich dabei um die 6 Euro. Ein schon recht erfolgreicher Autor kann im Jahr rund 12 000 Euro aus Buchverkäufen verdienen, die meisten bekommen weniger, einige wenige sehr viel mehr. Wir haben also gar nicht viel zu verlieren. Andererseits wissen wir kaum, was wir im Netz gewinnen könnten.

Keine Partei will das Urheberrecht abschaffen

Tatsächlich will keine parlamentsfähige Partei das Urheberrecht abschaffen. Im Gegenteil: dass Piraten, CDU, SPD und Grüne die Rechte des Urhebers sogar stärken wollen, haben sie sehr deutlich gemacht. Aber wie genau, ist noch nicht so klar. FDP und Linke sind bei dem Thema noch etwas wortkarg. Der Fachbereich Medien und Literatur in der Gewerkschaft Verdi, zu dem auch der Deutsche Schriftstellerverband (VS) gehört, schlägt schon mal vor, mit Verlegern und Verwertern faire Tarife für Autoren aushandeln.

Das ist nicht nur gut für mich, es entscheidet, ob Literatur weiterhin in Verlagen und Buchhandlungen stattfindet, oder ob sich Autoren eigene neue Vertriebs- und Verdienstwege erschließen müssen und werden. Beispielsweise kostet ein E-Book den Verlag fast nichts, wenn er das Werk bereits als Buch veröffentlich hat. Dennoch werden die meisten E-Books für nur zwei Euro unter Ladenpreis angeboten. Davon kriege ich bis zu 60 Prozent! Irre! Doch sollte ich nicht eigentlich fürchten, dass ein solcher E-Book-Preis dem privaten Tausch von Kopien Vorschub leistet? Nach einer Untersuchung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sollen 2010 in Deutschland schon 800 000 Personen rund 14 Millionen E-Book-Exemplare illegal heruntergeladen haben. Es passiert also, auch wenn die Verbreitung von Literatur-Downloads eine geringere Schlagzahl haben dürfte als der von Musiktiteln. Mit Büchern hat man länger zu tun als mit Musik. Und es lesen weniger Leute, als die, die Musik hören. Grundsätzlich gilt im Netz: Wer zu viel kassiert, bekommt am Ende nichts. Was also tun?

Sind neue Geschäftsmodelle die Lösung?

Verbote verlangen Kontrolle. Doch keine der in deutschen Parlamenten vertretene Partei will derzeit die Rasterfahndung nach illegalen Inhalten von Datenströmen. Sie setzen auf das Internet als Markt. Seien wir also mal gnadenlos mit uns. Statt auf den Schutz alter Verwertungswege zu pochen, entwickeln wir neue Geschäftsmodelle. Schon jetzt verschenken E-Book-Autoren ihre Bücher, um ihren Namen zu verbreiten und die Leser zum Kauf weiterer E-Books zu verführen (recht erfolgreich bei erotischen Texten). Das nennt sich Idol-Marketing. Oder wie wäre es mit dem Modell „Pay what you want“? Der Autor bittet seinen Leser, mit einem einfachen Bezahlsystem für den Text so viel zu überweisen, wie er ihm wert ist. Man sagt, er könne damit sogar mehr Gewinn erzielen als mit einem Fixpreis. Alle Modelle haben eins gemeinsam: Sie umgehen Verlage und Buchhandel. Also verschwinden die Buchläden wirklich. Und der Dichter wird zum Selbstvermarkter.

Will ich aber künftig im Internet für jede geistige Leistung bezahlen, für Zeitungsartikel, Youtube-Videos, Gedichte in Blogs? Wenn ich erst einen Groschen einwerfen muss, zögere ich. Ich weiß ja nicht, ob die Information im Artikel den Groschen wert ist. Münzeinwürfe an jedem Internetportal könnten das Netz veröden, weil das Angebot nur wenige nachfragen. Das Gegenmodell dazu ist eine Vergesellschaftung der Tantiemen. Die Grünen haben die Kultur-flatrate noch in ihrem Programm: Alle Internetnutzer zahlen ähnlich den Rundfunkgebühren eine Zwangsabgabe an eine Verwertungsgesellschaft, die die Gelder irgendwie an irgendwelche Urheber ausschüttet.

Ich schätze, diese Gebühr würde meine Einnahmen aus der Ausschüttung deutlich übersteigen. In der Regel sind Umverteilmodelle für erfolgreiche Künstler unverhältnismäßig lukrativer als für die kleinen. Zudem könnte es den Internetzugang für die Ärmsten zu teuer machen. In jedem Fall wird jeder Euro, den das Netz kassiert, mehr und mehr sozial Schwache ausgrenzen. Es ist aber nun mal das Ideal westlicher Gesellschaften, dass jeder, der will, alles wissen kann.

Welcher Buchhändler kann für eine Lesung 1200 Euro zahlen?

Also ganz anders: Wenn wir Autoren mit Buchverkäufen weniger verdienen, könnten wir dann nicht auch Livekonzerte geben, also mehr Lesungen machen und mehr dafür verlangen? Träumen wir von einem Stundenlohn der Handwerker, 70 Euro plus Anfahrtsweg. Ich lese zwanzig Seiten vor und bin dafür 200 Kilometer gefahren. Um 20 Seiten zu schreiben, habe ich zwei Arbeitstage gebraucht: macht 1200 Euro. Dazu kommen Anfahrt und anderthalb Tage Arbeitsausfallzeit. Ich fürchte, ich werde dann einfach gar keine Lesung mehr haben.

Das Modell spreizt die Schere zwischen erfolgreichen Autoren und denen, die nicht so populär sind, noch weiter. Nur wenige füllen mit ihren Lesungen Säle. Und die Buchhandlung Engagiert in Kleindorf wird dem Lyrik-Preisträger auch künftig nicht das vom VS empfohlene Mindesthonorar von 300 Euro plus Mehrwertsteuer zahlen können. Zumal es diese Buchhandlung bald nicht mehr gibt. Setzen wir also auf von Städten und Sponsoren geförderte Literaturveranstaltungen mit Eventcharakter wie Krimifestivals. Doch die brauchen große Namen, die Publikum anlocken. Und so verödet Kultur, verengt sich auf Stars, Bestseller und rote Teppiche. Und das in einer Zeit, in der online massenhaft kreativ gewerkelt wird wie nie. Die meisten Leute, die das machen, werden nicht wahrgenommen, verdienen kaum, und nähmen dankend die Grundsicherung.

Die Erben profitieren von den Rechten – mit Recht!

Alle großen Parteien versprechen, sie wollten die Rechte der Urheber den Verwertern gegenüber stärken. Nur zu. Macht mal! Ich bin gespannt. Zugleich schlagen Grüne und Piraten vor, die international gültige Schutzfrist zu verkürzen. Das sind die 70 Jahre nach dem Tod eines Künstlers, in denen alle Tantiemen an die Erben fallen. Danach kann das Werk veröffentlichen, wer will. Verlage verdienen durchaus gut mit Goethe, Heine oder Karl May. Und warten wir nicht alle darauf, dass die Brecht-Erben endlich ihre Macht über Zitate und Brecht-Aufführungen verlieren (und das tun sie erst 2026)? Das Internet kann wunderbar verwaiste Werke, also solche, deren Urheber nicht mehr ermittelbar ist, vom Friedhof der vergessenen Bücher holen und ins allgemeine Kulturgedächtnis überführen. Das Projekt Gutenberg hat mit Klassikern schon begonnen. Genau das fordern auch alle relevanten Parteien in ihren Papieren zum Urheberrecht.

Doch habe ich als Autor meist keine Firma und kein Haus zu vererben, sondern nur mein Werk. Deshalb muss mindestens eine Generation nach mir einen geldwerten Nutzen davon haben. Wer es danach verwertet, sollte den sogenannten Goethe-Pfennig – sagen wir, 1 Prozent pro verkauftem Exemplar –, an eine Verwertungsgesellschaft abführen, die damit Literatur fördert. Könnte also gut werden, eine Reform des Urheberrechts. Über Detailfragen werden wir uns allerdings noch streiten müssen. Und zwar heftig. Über faire Honorare, über den Verteilungsschlüssel bei der Ausschüttung durch Verwertungsgesellschaften, über die Mittel zum Schutz vor Raubkopien.

Keiner kauft E-Books in der Lieblingsbuchhandlung

Mehr Sorgen macht mir derzeit allerdings die Zukunft meines Lieblingsbuchladens. Die Gewinnmargen sind klein. Wenn der Buchverkauf zurückgeht, ist der Laden in der Existenzkrise. Lesungen kann er schon keine mehr bezahlen. Zwar hat er einen Onlineshop, aber E-Books bestellt kaum jemand bei ihm. Umständlich ist es zudem. Deshalb fordere ich Verlage und Buchhandel dringend auf, endlich in die Hufe zu kommen und ein populäres und benutzerfreundliches E-Book-Portal zu entwickeln, das Amazon den Rang abläuft. Denn sonst wird es unsere Buchhandlungen tatsächlich schneller nicht mehr geben, als wir Buch sagen können.

Christine Lehmann schreibt Krimis und Jugendbücher und ist im Vorstand des VS Baden-Württemberg. Hier und hier geht’s zu ihren Blogs.

Urheber, Nutzer und Rechte

Filesharing: Das Teilen von Dateien mit anderen Nutzern des Internets. Meist werden dafür Netzwerke für den Tauch solcher Daten (Texte, Filme, Musik) eingerichtet. Der Urheber verdient dabei nichts. Das ist illegal. Ein Daten-tausch ist nur dann legal, wenn Sie Ihren Tauschpartner kennen und ihm die Kopie direkt schicken.

Blog: Abkürzung von Web-Log, Netztagebuch. Eine Internetseite, in der ein Autor schnell und spontan seine Texte und Bilder einstellt. Nutzer, die sie le-sen (also runterladen) zahlen dem Blogger nichts. Er kann aber, wenn er er-folgreich ist, Werbung schalten und damit verdienen.

Deep-Packet-Inspection: Steht für ein Verfahren der Netzwerktechnik, Datenpakete zu überwachen und nach Stichworten oder Merkmalen zu filtern, aus denen sich schließen lässt, dass die Inhalte illegal sind (Spam, Viren, geklaute Musik, Filme) Damit kann man Datenströme auch regulieren, also zensieren.

Verwertungsgesellschaft: Zum Beispiel die Gema für Musik, die VG-Wort für Texte. Sie bekommen unter anderem Geld, wenn Musiktitel gespielt, oder Bücher in Bibliotheken ausgeliehen werden, aber auch, wenn Tonträger (früher Tonbandkassetten) gekauft werden. Ob es auf neuen Datenträger wie USB-Sticks auch eine Gebühr liegen soll, darüber wird gerade gestritten.

Kulturflatrate: Wäre eine gesetzlich geregelte Pauschalabgabe, die an die Ur-heber digitaler Inhalte verteilt würde. Im Gegenzug würde das Filesharing legalisiert. Dazu müsste das Urheberrecht geändert werden.