Der Esslinger Finanzbürgermeister Bertram Schiebel verzichtet auf die dritte Amtszeit und will stattdessen Geschichte studieren. Jürgen Zieger lobt den 58-Jährigen als „herausragenden Finanzfachmann

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Am 13. Oktober wird in Esslingen der Haushalt für das kommende Jahr eingebracht. Das ist eine der letzten Amtshandlungen des Finanzbürgermeisters Bertram Schiebel. Gestern hat der 58-Jährige überraschend erklärt, dass er für eine dritte Amtszeit nicht zur Verfügung stehe. Somit läuft seine Zeit als Beigeordneter für das Finanzwesen, Liegenschaften, Krankenhaus, Verkehrsbetrieb und Wirtschaftshilfe der Stadt Esslingen – so seine offizielle Bezeichnung – Ende des Jahres ab.

 

In einer persönlichen Stellungnahme begründet Schiebel seine Entscheidung so: „Je mehr Macht mit einem Amt verbunden ist, desto größer ist die Gefahr negativer Folgen nicht nur für die Gemeinschaft, sondern auch für die eigene Persönlichkeit“, schreibt Schiebel. Als Symptome würden in der Wissenschaft die Selbstbezogenheit und die Tendenz genannt, die „Interessen der gesellschaftlichen Organisation“ mit den eigenen gleichzusetzen. Schiebel: „Ich halte daher die Regelung der amerikanischen Verfassung für klug, die Präsidenten nur eine einmalige Wiederwahl zugesteht.“ In dieser Konsequenz sehe er von einer erneuten Bewerbung ab. Verstärkt werde dieser Entschluss durch die Möglichkeit, mit 58 Jahren noch einmal ein Geschichtsstudium zu beginnen.

Ein ganz hervorragender Finanzfachmann

Der Oberbürgermeister Jürgen Zieger zollte Schiebel gestern Respekt für seine Entscheidung, bedauerte sie aus Sicht der Stadt aber ausdrücklich: „Wir verlieren mit ihm einen herausragenden Finanzfachmann, der unter anderem bei der Aufstellung des neuen Konzernhaushalts der Stadt und bei der Umstellung auf die Doppik Außergewöhnliches geleistet hat.“ Auch in den schwierigen Bereichen Verkehrsbetriebe und Klinikum habe Schiebel sich bis in die Details ausgekannt. Zieger: „Sein Verzicht auf eine weitere Amtszeit reißt ein Lücke in die Verwaltung, die nur schwer zu schließen sein wird.“

Vermutungen, der Abschied Schiebels sei auf Unstimmigkeiten in der Verwaltungsspitze zurückzuführen, weist Jürgen Zieger zurück. „Natürlich hatten wir in Detailfragen immer mal wieder auch unterschiedliche Meinungen“, erklärt er, „aber überworfen haben wir uns deshalb nicht“. Die Tatsache, dass Schiebel nun keine neue berufliche Aufgabe anstrebe, sondern die Zeit für ein Studium nutzen wolle, belege, dass es vor allem persönliche Motive gewesen seien, die Schiebel zu diesem Schritt veranlasst hätten.

Andere Quellen im Rathaus sprechen dagegen sehr wohl von einer gewissen Entfremdung zwischen dem Ratschef und Schiebel, aber auch zwischen dem Ersten Bürgermeister Willfried Wallbrecht und dem Finanzdezernenten. Schiebel selbst will das nicht überbewerten. „Natürlich gibt es allein von der Aufgabenstruktur eines Finanzbürgermeisters und eines Baubürgermeisters Reibungspunkte.“

Bertram Schiebel zieht in seiner Erklärung eine positive Bilanz seiner 16 Jahre in Esslingen. Er sei 1999 mit dem Ziel angetreten, Reformen in der Verwaltung umzusetzen. Er habe sich für eine zielorientierte, die Eigenverantwortung fördernde Führungskultur ebenso stark gemacht wie für eine nachhaltige generationsgerechte Finanzpolitik. Schiebel erwähnt dabei das Liegenschaftsmanagement: In seine Zeit fällt unter anderem der Kauf des Güterbahnhofareals und die Entwicklung der Neuen Weststadt. Zudem sei es ihm gelungen, die Verkehrsbetriebe so aufzustellen, dass sich die Esslinger Bürger auf den öffentlichen Nahverkehr verlassen könnten.

Besondere Verdienste hat sich Bertram Schiebel beim Klinikum erworben. Nachdem die frühere Geschäftsführerin Cornelia Lindner gescheitert war, hatte der Finanzbürgermeister bis zur Einsetzung von Bernd Sieber als neuem Klinikchef neben seinen anderen Tätigkeiten rund ein Jahr lang das Klinikum kommissarisch geleitet. Viele Erkenntnisse, die er dabei gewonnen hat, sind ihm auch bei den Verhandlungen zu der letztlich gescheiterten Fusion mit den Kreiskliniken zugute gekommen.

Ob Bertram Schiebel weiter dem Esslinger Kreistag angehören wird, lässt er momentan offen. Er hoffe, sagt er, dass in dem neuen Gremium eine bessere Diskussionskultur herrsche als im Kreistag von 2009 bis 2014, das ein „reines Abnickergremium“ gewesen sei. Er werde das beobachten und dann seine Entscheidung treffen.

Finanziell bedeutet der Ausstieg mit 58 Jahren für Bertram Schiebel „eine gewisse Einbuße“. Wahlbeamte seien nach zwölf Jahren rentenberechtigt. Da er aber zuvor unter anderem als Chef des Pforzheimer Finanzamts viele Jahre als Beamter gearbeitet habe, bekomme er die normale Beamtenrente, die sich auf Dienstjahre beziehe. In seinem Fall seien das 63 Prozent der sogenannten ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge. Schiebel: „Ich bin ein durchaus sparsamer Mensch. Das wird mir reichen.“