Wie ein Drachenschwanz wird sich bald eine riesige, innen begehbare Skulptur durch die Wiese bei der Villa Merkel schlängeln. Sie ist Teil von „Good Space“, der Sommerausstellung der Galerie der Stadt Esslingen.

Esslingen - Bis vor wenigen Wochen wusste Andreas Baur, der Leiter der Städtischen Galerie Villa Merkel, noch nicht, ob er im September überhaupt noch Geld für weitere Ausstellungen übrig haben würde. Dann kam die Zusage der Bundeskulturstiftung, die nun der Hauptförderer von der Ausstellung „Good Space“ ist. Ursprünglich hatte es die zweite Auflage der Ausstellung „Crossing Media“ werden sollen, die vor drei Jahren die Fototriennale beerbte. Allerdings fördert die Bundeskulturstiftung nur Einzelprojekte.

 

Ob Triennale oder ein neues Projekt ist nicht wirklich entscheidend. Schon „Crossing Media“ hatte wie nun „Good Space“ den Parkraum miteinbezogen. Wie ein Drachenschwanz wird sich bald eine riesige, innen begehbare Skulptur durch die Wiese schlängeln. Und im Teich schwimmt die „Jellyfish Barge“: eine energieautarke, achteckige Pyramide, in der griffbereit wie auf Regalen Salate und Gemüse heranreifen. Die bereits mehrfach ausgezeichnete „Quallen-Barke“ wurde Stefano Mancuso aus Florenz entwickelt, mit einem Team von Biologen und Designern. Bildende Kunst oder nicht: dies war für Andreas Baur kein Kriterium bei der Vorbereitung der Ausstellung, die sich nicht nur quer durch die Medien, sondern auch durch die Fachkompetenzen bewegt.

Architektonische Zukunftsentwürfe

„Raumproduktion“, wie es der Soziologe Henri Lefebvre genannt hat, ist zunächst einmal die Kompetenz von Architekten und Stadtplanern. „Everything is Architecture“, behauptet gar ein aus London übernommener Ausstellungsteil, der die österreichische Zeitschrift „Bau“ aus den 1960er-Jahren vorstellt, deren Redakteur Hans Hollein war. Heute arbeitet unter anderem die Stuttgarter Gruppe Sam Arka um Tobias Wallisser und Sebastian Schott an architektonischen Zukunftsentwürfen.

„Sam“ steht für „Studio Advanced Media“. Der Raum der Medien ist eher innerhalb der Galerie zu suchen. Er ist aber, eben durch die Medien, mit dem Außenraum und, etwa in Arbeiten von Ryan Trecartin und Jon Rafman, auch mit dem virtuellen Raum verbunden. Die kubanische Künstlergruppe Los Carpinteros hat die gereckten Fäuste der NS-Gedenkstätte im serbischen Bubanji aus Legosteinen nachgebaut. Der Angolaner Binelde Hyrcan bewegt sich in einem Video mit Taucheranzug und Atemschutz auf dem Skateboard durch den Stadtraum von Luanda. In einem anderen zeigt er vier Jungen, die im Spiel ein besseres Leben in den USA, Brasilien oder Italien imaginieren. Härter an der Realität bewegen sich Christoph Wachter und Mathias Jud, deren Notrufsystem für Mittelmeer-Flüchtlinge soeben mit der Goldenen Nica, dem wichtigsten Preis für elektronische Kunst ausgezeichnet wurde.

Der Zebrastreifen als Bühne

Martin Creed nutzt den Raum eines Zebrastreifens als Bühne, um die mühsame Fortbewegung Gehbehinderter vor Augen zu führen. Hito Steyerl zeigt, wie man sich zum Verschwinden bringt. Und Stephen Willats sammelt Datensätze zu zwei New Yorker Straßenzügen – allerdings rein analog, in quadratischen Fotos auf den zwei Seiten einer geschwungenen Wand, verbunden durch handgemalte schwarze Linien: Bei so viel Feinarbeit sind drei Wochen Aufbauzeit selbst für ein vielköpfiges Team eher knapp bemessen.

„Good Space“: das ist auch der Stadtraum, der – ob öffentlicher Raum oder knapper und teurer Wohnraum – immer eminent politisch ist. Von Lefebvre stammt auch das viel zitierte Wort vom „Recht auf Stadt“. Der Stadtraum ist aber auch der Raum, von dem alle Veränderungen ausgehen: Das Architekten-Netzwerk raumlaborberlin arbeitet seit 1999 daran, im umkämpften Raum der Stadt neue Potenziale zu entdecken. Expeditionen in den Esslinger Stadtraum wird Johanna Knoop anbieten. Gegenüber „Crossing Media“ ist das Rahmenprogramm ein wenig reduziert, aber immer noch umfangreich. Ülkü Süngün ihrerseits unternimmt Forschungsspaziergänge zum Thema Geflüchtete.