Das Ertrinken eines 18-Jährigen in der Nacht zum Mittwoch in einem Neckararm in Esslingen führt die Gefahr natürlicher Gewässer drastisch vor Augen.

Esslingen - Seit gestern herrscht Gewissheit. In der Nacht zum Mittwoch ist ein 18-Jähriger in Esslingen nahe einer Holzbrücke zwischen der Neckarinsel und der Zeppelinstraße ertrunken. Zuvor hatte der junge Mann mit einem 17-jährigen Bekannten an einem zur Naherholung zugänglich gemachten Uferbereich mindestens eine Flasche Whiskey konsumiert. Am Mittwochnachmittag wurde seine Leiche geborgen. Die Polizei hat die Ermittlungen am Donnerstag abgeschlossen. Sie geht von einem Unglücksfall aus.

 

Die Strömungen sind unberechenbar

„Das passiert leider immer wieder“, sagt Bastian Sturm. Er ist der Vorsitzende der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Bezirk Esslingen. Die Strömung in jenem Altarm des Neckars, in welchem der junge Mann starb, sei auch davon abhängig, wie die Schleusen auf der Wasserstraße geschaltet seien. Teils herrsche aber gerade an jenem Abschnitt, der für den 18-Jährigen zur Todesfalle wurde, eine starke Strömung. Zwischen der Neckarinsel und dem Landratsamt befinden sich zwei Schleusen. Hinzu kommt ein Wasserkraftwerk zwischen dem Tierheim und dem Freibad. Je nachdem, wie die Schleusen und das Wasserkraftwerk gestellt seien, könne sich in dem Neckaraltarm ein starker Sog entwickeln.

Der Wasserstand könne sich innerhalb von ein bis zwei Minuten um zehn bis 20 Zentimeter verändern, erklärt Sturm. Die Wasserkraftwerke seien automatisch gesteuert, es sei daher kaum vorhersehbar, wie sich die Strömung entwickle. Ob die Wasserkraftwerke viel oder wenig Wasser durchließen, hänge vom Strombedarf ab. Darüber hinaus gebe es auch natürliche Ursachen dafür, dass sich die Strömungsverhältnisse änderten. Wenn es beispielsweise an einem Tag im Schwarzwald regne, komme das Wasser erst am nächsten Tag in Esslingen an und verändere den Wasserstand. In der Nacht zum Mittwoch, als der junge Mann verunglückte, habe eine starke Strömung geherrscht. Am nächsten Tag war davon bereits nichts mehr feststellbar und der Neckar floss langsam dahin.

Junge Leute treffen sich gerne am Ufer

Um den Menschen im Neckartal ein Naturerlebnis zu ermöglichen, wurde das Neckarufer an zahlreichen Stellen in den vergangenen Jahren zugänglich gemacht. In Esslingen wurden verschiedene Bereiche am Ufer von Gestrüpp befreit und mit Steinquadern versehen. In Plochingen ist der Neckar vom Landschaftspark Bruckenwasen aus besonders gut zugänglich. Auch bei Wernau gibt es einen renaturierten Neckararm, an dem sich regelmäßig Menschen aufhalten.

In den Sommermonaten nutzen vor allem junge Menschen das Angebot zum Verweilen in Wassernähe gerne. Am Wochenende treffen sie sich, es wird gefeiert und auch Alkohol getrunken. Wer dann freiwillig oder unfreiwillig ins Wasser gerät, kann sich schnell in Lebensgefahr befinden.

Einen Zusammenhang zwischen den Bemühungen vieler Kommunen, das Neckarufer als Naherholungsgebiet zugänglich zu machen, und Menschen, die von solchen Stellen aus im Wasser ertrinken, möchte Sturm aber nicht herstellen.

Die DLRG rät dazu, nur in überwachten Gewässern, Hallen- oder Freibädern zu schwimmen. „Die Leute unterschätzen die Gefahr“, sagt Sturm. Hinzu komme, dass die Zahl der schlechten Schwimmer und der Nichtschwimmer „drastisch“ zunehme. Sorgen bereiten der DLRG in diesem Zusammenhang die Bäderschließungen der vergangenen Jahre, etwa in Kirchheim und Plochingen. Auch in Esslingen wurde eine Diskussion um die Zukunft der Bäder geführt. Ohne die Schwimmbäder seien die Schulen kaum noch in der Lage, ausreichend Schwimmunterricht anzubieten, klagt Sturm.