Für den Oberbürgermeister Jürgen Zieger ist die feierliche Eröffnung ein historischer Tag mit hoher Symbolkraft.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Hier in Esslingen ist Religion zu einer Brücke geworden, die die Menschen einander näher bringt.“ Nicht nur für Barbara Traub, die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW), ist am Sonntag ein ganz besonderer Tag gewesen. Mehr als 73 Jahre nach der Reichspogromnacht, in deren Folge auch die Esslinger Synagoge geschändet wurde, ist nun an gleicher Stelle wie damals – im Heppächer 3 – die Synagoge als neues Gemeindezentrum für die mehr als 300 jüdischen Mitbürger feierlich eröffnet worden.

 

In seinem Grußwort betonte der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger genau diese Tatsache: Zwar sei es anders als in München, Mainz oder Ulm kein Neubau, der davon „eindrucksvoll und selbstbewusst zeuge, dass jüdisches Leben wieder ein markanter und integraler Bestandteil unseres Landes“ geworden sei. Aber die neue, alte Synagoge sei als ehemaliges Zunfthaus der Schneider eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Stadt und repräsentiere wie kein anderes Esslinger Gebäude die 800 Jahre andauernde Geschichte der hiesigen jüdischen Gemeinden.

„Die täter haben nicht Recht behalten.“

Schließlich hätten sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinde 1819 „ganz bewusst und selbstbestimmt genau dieses Haus hier als das kostbare Zentrum ihres Glaubens und ihres Lebens ausgesucht. Dieser Ort wurde geschändet, die Esslinger Juden von den Schergen des Nationalsozialismus vertrieben und ermordet.“

Deshalb sei die Rückkehr jüdischen Lebens genau in dieses Gebäude ein Zeichen, „dessen Symbolgehalt und damit dessen Bedeutung mindestens genauso stark ist wie der Aufbruch zu neuen Ufern“. In der historischen Perspektive bedeute die Eröffnung der Synagoge, dass es dem NS-Regime nicht wie beabsichtigt gelungen ist, die Spuren jüdischen Lebens zu tilgen. Zieger: „Die Täter haben nicht Recht behalten. Zuversicht und Humanität sind stärker als Hass und Gewalt. Auch darin liegt für mich die Bedeutung dieses Tages.“

Der Landesrabbiner Netanel Wurmer nutzte die Eröffnung, um vor den wachsenden Gefahren aus der rechten politischen Szene zu warnen. Die Gesellschaft müsse solchen Tendenzen energisch entgegen treten und dürfe „nicht stumm zur Tagesordnung übergehen“. Wurmser nahm dann den Esslinger Rabbiner Yehuda Pushkin in die Pflicht: „Möge es ihm gelingen, die Spiritualität an diesem Ort auszubreiten – zum Wohle der ganzen Stadt.“ Solle dies gelingen, müssten die Gemeindemitglieder mitziehen. Wurmser: „Es ist ein historischer Augenblick, hier wieder jüdisches Leben möglich zu machen.“ Aber die Idee müsse mit Leben gefüllt werden. Deshalb gab er die Devise aus: „Ärmel hochkrempeln und an die Arbeit!“

„Ein Schlüssel zum Herzen der Menschen“

Barbara Traub hatte zuvor von zahlreichen erfreulichen Begegnungen im Vorfeld der Wiedereröffnung der Synagoge erzählt. Viele Menschen seien in den vergangenen Tagen, als die IRGW die Eröffnung vorbereitet habe, auf die Mitarbeiter zugekommen und hätten ihre Freude über die Synagoge zum Ausdruck gebracht. Traub: „Der jüdische Glaube ist in Esslingen ein Schlüssel zum Herzen der Menschen.“

Die Synagoge solle ein Zentrum der Begegnung und des friedlichen Miteinanders werden, die jüdische Gemeinde ein Teil der Stadtgeschichte sein. Und wenn die IRGW in 100 Jahren den Erbpachtvertrag mit der Stadt nicht erneut verlängere, „so hoffentlich nur, weil wir dann größere Räume für unsere Gemeinde brauchen“.