Die diesjährige Haecker-Preisträgerin heißt Urmila Chaudhary

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Die Stadt Esslingen hat den Namen der diesjährigen Haecker-Preisträgerin bekannt gegeben. Es ist die 27-jährige Urmila Chaudhary, die eine Organisation gegen Kindersklaverei in Nepal gegründet hat. Die Preisträgerin wird im Sommer voraussichtlich nach Deutschland kommen und über ihr soziales Engagement berichten.

 

Obwohl die Sklaverei verboten ist, herrscht im Westen Nepals noch immer die Praxis, dass arme Mädchen als Haushaltshilfe an reiche Familien verkauft werden, die in den städtischen Zentren des Landes leben. Schon im Kindesalter müssen diese Mädchen schwere körperliche Arbeit verrichten und haben keine Chance, eine Schule zu besuchen. Außerdem gibt es ein großes Risiko für sexuelle Übergriffe.

Meistens kommen diese Mädchen aus dem Volk der Tharu, die im Westen Nepals leben und eine anerkannte Minderheit im Land sind. Auch Urmila Chaudhary, die 1989 geboren wurde, erlitt dieses Schicksal. Als ihr Vater krank wurde, verschuldete sich die Familie und sah als einzigen Ausweg, die Tochter zu verkaufen. Im Alter von 17 Jahren wurde Urmila Chaudhary aus der Sklaverei gerettet. Sie gründete eine eigene Organisation, die nicht nur Sklavenmädchen befreite, sondern ihnen auch eine Schulbildung ermöglichte. Sie war selbst eine Zeit lang Präsidentin dieser Organisation. Über ihr Leben hat sie ein Buch geschrieben, das auf Deutsch unter dem Namen „Sklavenkind“ im Knaur-Verlag erschienen ist.

Die Ehrengabe zum Theodor-Haecker-Preis bekommt in diesem Jahr das Projekt Heroes in Berlin-Neukölln, das 2007 unter anderem von dem Psychologen Ahmad Mansour gegründet wurde. Konkret geht es darum, überkommene Ehrbegriffe von jungen Männern zu verändern. In dem Projekt setzen sich die Beteiligten gegen die Unterdrückung der Frau ein und beziehen Stellung für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, ebenso im Namen der Ehre. Am Ende des Projektes sind die Männer selbst in der Lage, eigenständig Workshops zu dem Thema zu geben. Das Ziel ist, es mit einem Schneeballsystem das Denken zu verändern. Die Gründer von Heroes haben den Ansatz, dass zuerst das Denken des Einzelnen verändert werden müsse, um die Gesellschaft zu verändern.

Der genaue Termin der Preisverleihung steht noch nicht fest, dotiert ist der Preis mit 10 000 Euro. Der Theodor-Haecker-Preis wird alle zwei Jahre für politischen Mut und Aufrichtigkeit verliehen, anfangs je für einen Mann und eine Frau, in letzter Zeit erhielten den Preis nur noch Frauen: 2011 bekam ihn die iranische Menschenrechtsaktivistin Shiva Naza Ahar, 2013 die aserbaidschanische Bürgerrechtsaktivistin Leyla Junus, 2015 die brasilianische Umweltaktivistin Laísa Santos Sampaio.

Mit dem Preis hält die Stadt auch das Andenken von Theodor Haecker wach. Er wurde 1879 in Eberbach geboren und wohnte die meiste Zeit seines Lebens ins Esslingen. Er arbeitete beim Schreiber-Verlag und vertrat als Essayist eine radikale Kulturkritik aus katholischer Sicht. Während des Nationalsozialismus war er mit einem Schreib- und Redeverbot belegt. Er hielt Kontakt zur Widerstandsgruppe der Weißen Rose um die Geschwister Scholl, die er mit seinem Gedankengut, niedergelegt in den „Tag- und Nachtbüchern“, entscheidend beeinflusste.