Er schrieb eine der ersten deutschen Science-Fiction-Erzählungen. Der ehemalige Chefarzt des Plochinger Krankenhauses Ludwig Hopf war ein begnadeter Naturkundler und Erzähler.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Vor 90 Jahren starb der Chefarzt des Plochinger Krankenhauses Ludwig Hopf. Der genialische Geist schrieb eine der ersten deutschen Science-Fiction-Geschichten und hatte darin gleich eine epochale Vision: Er sagte in dieser Erzählung die Entdeckung des Röntgenapparates voraus.

 

Geboren wurde der Schriftsteller im Jahr 1838 in Esslingen, just in den Häusern zwischen dem Rathaus und dem Hafenmarkt, die später als älteste Reihenhäuser der Weltgeschichte von sich reden machten. Sein Vater war ein Kaufmann und der Junge sollte zunächst Theologie studieren. Sein unsteter Lebenswandel, seine permanente Unordentlichkeit und auch das eine oder andere Gläschen Alkohol, das er mit seinen Studentenbrüdern gelupft haben soll, führte schließlich dazu, dass man ihm nahelegte, auf das Studium der Theologie lieber zu verzichten. Denn er hatte sogar eine Freiheitsstrafe im Karzer, dem Tübinger Studentengefängnis verbüßen müssen, weil er einmal singend und lärmend durch die Gassen gezogen war.

Hopf wurde also Mediziner. In Tübingen und Wien schloss er seine Studien ab und fand 1866 eine Stelle im neu gegründeten Plochinger Krankenhaus. Dort stieg er schon bald zum Chefarzt auf. Er heiratete, aber die Ehe blieb kinderlos. Deswegen entschloss sich das Paar, im Jahr 1888 Pauline Deuble als Pflegekind anzunehmen. Ein Schritt, der auch für die deutsche Literatur epochal war. Denn Hopf begann alsbald, für das kleine Mädchen „medizinische Märchen“ zu verfassen.

Im Jahr 1892 sind die medizinischen Märchen als Buch erschienen. Sie sind eine Art Zeitreise durch die wichtigsten Epochen der Menschheitsgeschichte, in denen gezeigt wird, wie Hygiene, mäßiges Leben und einfache Therapien wie Massagen und Kräuterheilkunde den Menschen helfen können. Sie schildern auch die Sorgen und Nöte der Therapeuten. Die Märchen beginnen im alten Ägypten, setzen sich in den Kulturen Phöniziens und der Antike fort und enden in einem Deutschland der Zukunft.

In einem dieser Märchen mit dem Titel „Elektra“ trifft der Arzt auf eine blaue knisternde Kugel namens Elektra, die mit ihren elektrischen Strahlen alles durchleuchtet und die innere Beschaffenheit von Lebewesen zeigt. Der Arzt heilt damit – wie könnte es anders sein – einen verstockten Pfarrer, der keine neumodische Behandlung an sich heranlassen will. Drei Jahre später, im Jahr 1895, entdeckte Wilhelm Röntgen die nach ihm benannten elektromagnetischen Strahlen tatsächlich.

Hopfs Wirken in Esslingen und Plochingen wäre komplett in Vergessenheit geraten, hätte sein Leben nicht die Wissenschaftlerin Eva Rosenstock in einem gediegenen Beitrag für die „Esslinger Studien“, die Schriftenreihe des Esslinger Stadtarchivs, erforscht. Sie verwendet den Begriff „Paläofiction“ für die Märchen aus grauer Vorzeit und stellt Ludwig Hopf damit in eine Reihe mit dem berühmteren David Christoph Weinland, der den „Rulaman“ geschrieben hat. In diesem einzigartigen Roman geht es um einen Höhlenmenschen auf der schwäbischen Alb.

Nachdem Hopf in Rente gegangen war, zog er 1904 nach Stuttgart, wo er sich seinen naturgeschichtlichen Forschungen und der Schriftstellerei zuwandte. 1903 erschienen die absurden „neuen medizinischen Märchen“, die seinen Hang zu Satire zeigen: Ein Venusmensch kommt auf die Erde und endet als medizinisches Präparat und ein wissenschaftlicher deutsch-österreichischer Hundekongress im Jahr 2000 streitet sich über einen fossilen Knochen. Ein ähnliches Werk gibt es nur einmal noch in der Geschichte der Science-Fiction, das ist der groteske Roman „Der futurologische Kongress“ des polnischen Autors Stanislaw Lem aus dem Jahre 1971. Man sieht, Hopf war seiner Zeit voraus. Der erste bekannte deutsche Science-Fiction-Schriftsteller um die Jahrhundertwende war Kurt Laßwitz, dessen Klassiker „Auf zwei Planeten“ aus dem Jahr 1897 in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde.

Hopf hatte jedoch zu viele Interessen, um sich in einer Disziplin einen Namen machen zu können. Er verfasste eine Naturgeschichte für die Jugend, die der Esslinger Schreiber Verlag mit Bildern ausstattete und forschte in seinen letzten Lebensjahren mit Feuereifer über die Vor- und Naturgeschichte. Am 27. Februar 1924 starb Ludwig Hopf, seine letzte Wohnung war in der Rötestraße 31 in Stuttgart.