Wegen Problemen bei der Beförderung behinderter Kinder zur Rohräckerschule in Esslingen steht das Landratsamt in der Kritik. Die Behörde schiebt den Schwarzen Peter jedoch dem von ihr beauftragten Unternehmen zu.

Esslingen - Das Landratsamt hat zum Schuljahresbeginn die Schülerbeförderung zur Rohräckerschule auf dem Esslinger Zollberg neu vergeben und damit großen Unmut ausgelöst. Viele Eltern der behinderten Kinder und Jugendlichen sind mit dem beauftragten Mannheimer Unternehmen Köhler-Transfer, das einen Großteil der Touren in den Kreisen Esslingen und Göppingen fährt, äußerst unzufrieden und fühlen sich von der Kreisbehörde im Stich gelassen. Einige von ihnen beklagen, dass die Busse unpünktlich fahren würden und ihre Kinder unterwegs schlecht betreut seien. In der Schule und beim Landratsamt mehren sich die Beschwerdebriefe und -anrufe. Letzteres prüft inzwischen rechtliche Schritte gegen die von ihm beauftragte Firma. Sie war nach einer Ausschreibung kurzfristig zum Zug gekommen, die seit Jahren bewährten Unternehmen und Vereine waren leer ausgegangen.

 

Die Tochter von Ursula Hofmann aus Esslingen ist schwerbehindert. Bisher wurde die zwölfjährige Anne von einem Fahrdienst der Johanniter stets pünktlich und bestens versorgt zur Schule und wieder nach Hause gebracht. Seit dem neuen Schuljahr sei das nicht mehr der Fall, sagt Ursula Hofmann und geht vor allem mit dem Landratsamt hart ins Gericht. Dieses habe die Eltern über den Wechsel des Unternehmens nicht einmal informiert. Noch am Freitag vor dem ersten Schultag habe sie nicht gewusst, wer ihre Tochter am Montag darauf abholen sollte. Niemand habe sich – wie sonst üblich – bei ihr gemeldet.

Die Kleinbusse fahren unpünktlich

Auf dem Informationsblatt des Esslinger Landratsamts für den neuen Fahrdienst sei nicht vermerkt gewesen, dass Anne für ihre spezielle Sitzschale einen Platz mit Anschnallgurten statt eines vorgesehenen Rollstuhlplatzes sowie eine Begleitperson benötige. Die Fahrer seien zwar sehr bemüht, „aber unerfahren und völlig ortsunkundig“, bemängelt nicht nur Ursula Hofmann. Andere Eltern berichten, in den ersten beiden Schulwochen sei der Kleinbus nie zur vereinbarten Zeit vor- und abgefahren, und die Kinder kämen – teils nicht einmal entsprechend ihrer Behinderung angeschnallt und gesichert – bis zu 30 Minuten später von der Schule zurück als bisher. Ganz zu schweigen vom fehlenden Vertrauen der besondere Zuwendung benötigenden Kinder und deren Eltern in das neue Personal.

Eine Mutter äußert außerdem Bedenken, ob sich mindestens ein Begleiter im Bus mit Erster Hilfe auskenne oder ob dem Unternehmen Führungszeugnisse über die angestellten Personen vorliegen. Außerdem wäre es ihrer Ansicht nach angebracht, in allen Kleinbussen dem Fahrer eine Begleitperson zur Seite zu stellen. Das wäre notwendig gewesen, als einer der Busse jüngst in einen Auffahrunfall verwickelt gewesen sei. Während die Fahrerin ausgestiegen sei, um die Verkehrsangelegenheit zu regeln, habe im Bus angesichts der Ausnahmesituation eine große Unruhe geherrscht. Eine Begleitung, die die Kinder hätte beruhigen können, habe gefehlt.

Das Landratsamt prüft rechtliche Schritte

Ursula Hofmann empfiehlt dem Landratsamt etwas süffisant eine „Schulung bei der Firma Eismann“. Die informiere über ihr Kommen im Voraus, der Fahrer sei kompetent, habe immer alles dabei und sei zudem verlässlich und pünktlich. Das Unternehmen verkauft jedoch Tiefkühlkost. „Aber Schüler sind keine Ware“, sagt Ursula Hofmann. Dem Esslinger Landratsamt „geht es ums Geld, um behinderte Kinder und deren Familien jedenfalls nicht“, übt sie harsche Kritik.

Das Landratsamt indes schiebt den Schwarzen Peter der in Mannheim ansässigen Firma Köhler-Transfer zu. Nach den ersten direkt eingegangenen und von der Schule weitergeleiteten Beschwerden der Eltern sei ein „intensives Gespräch“ mit Verantwortlichen des auf die Beförderung behinderter Menschen spezialisierten Unternehmens geführt worden. Allerdings ohne Erfolg, wie Peter Keck berichtet. „Den vertraglichen Verpflichtungen ist Köhler-Transfer bislang nicht nachgekommen“, sagt er. Das Landratsamt prüfe zurzeit rechtliche Schritte gegen die Firma, „um die vereinbarte Leistung einfordern zu können“. Für die ein oder andere Schwierigkeit in der ersten Woche hätte das Landratsamt Verständnis aufgebracht, sagt Peter Keck. Schließlich habe die Klage einiger der früheren Unternehmen gegen das Ausschreibungsverfahren die Vergabe stark verzögert und eine kurzfristige Beauftragung von Köhler-Transfer erforderlich gemacht. Aber die Probleme seien nach wie vor nicht gelöst.

Das Unternehmen kritisiert das Landratsamt

Auf die Frage, wie viel Geld das Landratsamt durch den Wechsel bei der Schülerbeförderung einspare, antwortet der Pressesprecher Peter Keck ausweichend. Aktuelle Zahlen lägen noch nicht vor, sagt er, „aber wir gehen davon aus, dass wir keine Kosten einsparen“. Er betont, dass das Landratsamt nach dem EU-Recht gezwungen gewesen sei, die Leistungen neu auszuschreiben: „Wir hätten am liebsten alles gelassen, wie es war.“

Angelika Rivinius, die bei der bundesweit agierenden Firma Köhler-Transfer für den Bereich Baden-Württemberg zuständig ist, glaubt, das Landratsamt brauche für die „schwierige Situation“ einen Sündenbock, „und das sind wir“. Sie gibt zwar zu, dass sich ihr Unternehmen in einigen Punkten verbessern müsse, aber für die zu kurze Vorbereitungszeit von drei Wochen sei es nicht verantwortlich: „Wir hatten schon Anfang des Jahres unser Angebot abgegeben.“ Zudem wäre es hilfreich gewesen, „wenn wir vom Landratsamt mehr Informationen zu den verschiedenen Behinderungen bekommen hätten“. Dass nicht auf jeder Tour eine Begleitperson an Bord sei, sei üblich. Wenn dies nötig sei, müsse das bei den Informationen zum jeweiligen Kind vermerkt sein. Den Fahrern sei zudem gezeigt worden, „wie sie einen Rollstuhl anschnallen müssen“. Sie habe schon in einigen Gegenden den Wechsel des Beförderungsunternehmens organisiert, sagt Rivinius, „aber so wenig Verständnis wie hier haben wir noch nie erlebt“.

Bei Karin Pfeiffer, der Leiterin der Rohräcker-Körperbehindertenschule, gehen zurzeit viele Beschwerden wegen der Schülerbeförderung ein, die sie an das Landratsamt zur Prüfung weiterleitet. Auch für sie stehe im Mittelpunkt, dass es den Kindern „bei der Übergabe und unterwegs gut geht“, sagt Karin Pfeiffer. Da ziehe die Schule mit den Eltern an einem Strang und unterstütze das Landratsamt und das Beförderungsunternehmen. Dass die Touren bisher nicht wie gewünscht gerollt seien, liege neben den Problemen, die ein Unternehmenswechsel ohnehin mit sich bringe, auch daran, dass in allen fünf Schulen des Zentrums noch Einschulungen angestanden seien. „Allmählich wird es besser“, sagt die Schulleiterin mit Zuversicht.

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