Der Umbau des Blarerhauses in eine Bibliothek ist eine historische Chance. Die Kirche sollte sie nicht verstreichen lassen.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Wenn die evangelische Kirche das Blarerhaus tatsächlich schließt, dann gegen den Widerstand großer Teile der Gemeinde. Diesen Eindruck vermittelte die Diskussion am Dienstagabend. Die Argumente scheinen auf der Seite der Gegner zu sein: Da wurde so getan, als sei der übrig gebliebene Rest der Franziskaner-Kirche das spirituelle Zentrum Esslingens schlechthin. Da wurde vermittelt, ein Umbau sei vom Denkmalschutz her und architektonisch kaum möglich. Da wurde gesagt, das Blarerhaus sei wegen seiner Akustik als Proberaum unverzichtbar.

 

Aber stimmt das auch? Wer hin und wieder mal auf ein Vaterunser in die städtischen Kirchen geht, der weiß, dass er dort zumeist mit sich und seinem Schöpfer ganz alleine ist – von den Touristengruppen in der Stadtkirche einmal abgesehen.

Es wäre besser, die Christen würden den Stummel der Franziskanerkirche aufgeben und viel wichtigere Kraftorte wie die Frauenkirche wiederbeleben, statt tatenlos zuzusehen, wie dieses großartige Gotteshaus für das tägliche Gebet und Meditation ungenutzt bleibt.

Ein ästhetischer und denkmalgerechter Umbau des Blarerhauses in eine Bibliothek ist vielleicht schwierig. Er ist aber denkmaltechnisch leichter als am alten Standort der Bücherei in der Heugasse, wo man zwei jahrhundertealte Häuser umgestalten müsste.

Wenn die Kirche das Blarerhaus auskömmlich finanzieren will, muss sie die Mieteinnahmen vervierfachen. Ob die Musiker, die am Dienstag vehement den Erhalt des Hauses in Kirchenhänden gefordert haben, tatsächlich auch das Vierfache an Miete zahlen würden, das haben sie nicht gesagt. Auf ein Argument haben die Befürworter überhaupt keine Antwort gegeben: Der demografische Wandel ist nicht aufzuhalten. Die Gemeinde blutet aus, ein Ende ist nicht in Sicht. Selbst wenn die Kirche es jetzt schafft, das Blarerhaus zu halten – in fünf oder zehn Jahren wird sie verkaufen müssen. Und dann ist die historische Chance auf eine seriöse Nachnutzung in Form einer Bibliothek für immer vertan.