„This is my Song, Part II“ brachte in der Württembergischen Landesbühne die Zuschauer zum Toben.

Esslingen - Der Esslinger Musiker Wolfgang Fuhr hat sich das Ganze ausgedacht und stieß beim Intendanten Friedrich Schirmer auf offene Ohren. „This is my Song“ sorgte schon im vergangenen Jahr für Furore. Am Samstagabend ging die Revue in die zweite Runde. Schauspieler und Mitarbeiter der Landesbühne sangen dort ihre Lieblingssongs.

 

Die Idee ist nicht neu, aber eine sichere Bank. Sorgt sie doch seit Jahrzehnten auf allen Kanälen für beste Unterhaltung: „Sage mir, was du hörst, und ich sage dir, wer du bist!“ Der Song als Chiffre für autobiografische Erzählskizzen: „Schatz, unser Lied!“ Noch unterhaltsamer gerät die Idee, wenn nicht erzählt, sondern gesungen, getanzt, performt wird.

Nicht grundlos kommt beim Betriebsfest Stimmung auf, wenn die Karaoke-Maschine angeworfen wird. Der schmale Grat zwischen Triumph und Absturz ist dann eine ideale Teambuilding-Strategie. Wenn man jetzt noch, wie bei der Landesbühne geschehen, die Karaoke-Maschine durch ein Quartett von vielseitigen Profi-Musikern ersetzt, das Ganze etwas inszeniert – wozu sind wir beim Theater? – und durch eine Rahmenhandlung aufpeppt, wird der Abend perfekt.

Wieder waren Mitarbeiter der WLB als Performer gefragt, denn sie mussten über den Gesang hinaus eine Geschichte darbieten vom Pleite gegangenen, eine Alternative suchenden Zirkus. Zum Grande Finale war Schirmer selbst angekündigt. Die Auswahl der dargebotenen Songs war bunt und gut gemischt, bewegte sich zwischen bei Theaterleuten irgendwie Erwartbarem wie einem Brecht-Weill-Song oder dem „Lied vom Sonntag“ von Karl Valentin und respektvoll dargebotenen Klassikern wie „Cry me a River“.

Das Gelingen eines solchen Abends hängt ja entscheidend davon ab, ob man für eine Vielzahl von Fragen originelle Antworten findet. Will man nah ran ans Original? Oder dem Populären eine neue Seite abgewinnen? Oder nur auf hohem Niveau mit expressiven Joe Cocker-Posen und Hildegard Knef-Lakonie unterhalten? Oder das Publikum mit originell gewähltem Material überraschen?

Es ist schon ein Unterschied, ob man einem Lied von Herbert Grönemeyer neue Seiten abgewinnt, indem man das Tempo drosselt und sich beim Text Freiheiten herausnimmt oder ob man sich lediglich in der Manier eines Dieter Thomas Kuhn mit quietschbuntem Outfit einen aufgekratzten 70er Jahre Schlager von Jürgen Marcus über die Klinge springen lässt. Interessanter wird es, wenn man wie Daniel Elias Böhm ganz unironisch nicht mit seinem Faible für den Schlager hinterm Berg hält und eine eigene, sehr gelungene Komposition zum Besten geben kann.

Zum Finale dann Hinreißendes in zweierlei Hinsicht: Zunächst wagten sich Markus Michalik und Benjamin Janssen an den Queen-Klassiker „Bohemian Rhapsody“ – sensationell nah am Original. Ein Himmelfahrtskommando, das bis in Nuancen verblüffend gemeistert wurde. Und dann der Intendant Friedrich Schirmer, der sich mit „Halbstark“ einer Nummer aus der „Beat Club“-Ära widmete, ein Song der auch schon von Rudolf Rock und die Schocker und den Toten Hosen gecovert wurde.

Wir wissen nicht, welche Version sich Schirmer aus welchen Gründen auch immer zum Vorbild genommen hatte, aber seine entfesselte Performance irrlichterte irgendwo zwischen Iggy Pop, Cyndi Lauper und Samuel T. Herring, dem Sänger der Kultband Future Islands.

Das Publikum, staunend bis fassungslos, reagierte absolut adäquat mit Ovationen. Wer es verpasst hat: an Silvester gibt es eine zweite Gelegenheit zur Besichtigung.