Der Verein „Rettet das Greut“ hat sein Klimagutachten zur Bebauung der Kaltluftschneise im Geißelbachtal vorgestellt.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Eigentlich, sagt Reiner Dietrich, der Vorsitzende des Vereins Rettet das Greut, könne man gar nicht von einem Gutachterstreit reden: „Denn in vielen grundsätzlichen Einschätzungen der Situation in Esslingen sind sich der von uns beauftragte Gutachter und der der Stadt ja vollkommen einig.“ Allerdings unterscheiden sich die Schlüsse, die die beiden Experten in ihren jeweiligen Klimagutachten zur angedachten Besiedlung der Kaltluftschneise Greut im Esslinger Geißelbachtal zwischen den Stadtteilen Krummenacker und Serach ziehen, doch fundamental.

 

Nachdem die Stadt vor rund zwei Wochen ihr von der Firma Ökoplana erarbeitetes Klimapapier vorgestellt hatte, hat nun am Mittwoch die Bürgerinitiative die von ih nen bei der Firma Modus Consult in Auftrag gegebene Expertise vorgelegt. Der Umweltgutachter Modus Consult, der auch schon mehrfach für die Esslinger Stadtverwaltung tätig war und unter anderem Expertisen für die Festo-Baupläne und den Flächennutzungsplan erstellt hat, bestätigt die Vermutung der Bürgerinitiative , dass die geplante Bebauung von 1,6 Hektar Grün- und Streuobstwiesenfläche kritische Auswirkungen auf das gesamte Esslinger Stadtklima hätte.

Kaltluftentstehungsfläche geht verloren

Eine bedeutende Kaltluftentstehungsfläche gehe ebenso verloren wie eine wichtige Durchlüftungsachse. Ebenso werde der Kaltluftabfluss beeinträchtigt. Auch unter artenschutzrechtlichen Aspekten sei eine Bebauung kritisch zu beurteilen. Kämen die neuen Häuser, so gingen wertvolle Streuobstbestände und Gehölzstrukturen als natürlicher Lebensraum von vielen geschützten Tieren verloren.

Eine wesentliche Rolle in der Expertise des Vereins Rettet das Greut spielt die Beurteilung der Aussagen, die der Gutachter der Stadt zum Klimaschutz getroffen hat. Grundsätzlich, so Reiner Dietrich, „bestätigt Ökoplana alle bereits heute über bestehende Gutachten erkannte Umweltprobleme einer Greut-Bebauung“. So stelle Ökoplana unter anderem fest, dass sich die Stadt Esslingen „in einem vergleichsweise thermisch hochbelasteten Teilgebiet befindet“. In der Stadt seien „insbesondere in Hang- und Tallagen kaltluftbedingte Lokalströmungen zu beobachten, die von höchster stadtklimatischer Bedeutung“ seien. Hierbei bildeten „die noch verbliebenen Freiflächen entlang des Geißelbachs wichtige Zugbahnen für die bodennahe Kaltluft“.

Ökoplana ist dennoch zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Bebauung nur einen geringen Einfluss auf das Klima in der Innenstadt haben würde. Es gebe eine in Fachkreisen anerkannte Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), dass eine Bebauung nur dann kritisch sei, wenn der Einfluss auf die Kaltluftzufuhr bei mehr als zehn Prozent liege. In Esslingen liege der Wert bei nur einem Prozent.

Kritik am städtischen Gutachten

Hier setzen die Greut-Schützer an. Der städtische Gutachter verschweige, dass in derselben VDI-Richtlinie für eine ausreichende Siedlungsdurchströmung ein Kaltluftstrom von 10 000 Kubikmeter pro Quadratmeter pro Stunde notwendig sei. Im Neckartal liege diese Durchströmung aber schon heute in der ersten Nachthälfte bei lediglich 4927 Kubikmetern, in der zweiten bei 7718 Kubikmetern, also rund 50 und 23 Prozent unter dem geforderten Wert. Deshalb sei eine weitere Verschlechterung des Stadtklimas nicht hinnehmbar.

Absolut unverständlich sei, dass das städtische Gutachten seine Aussagen auf einmalige Luftmessungen aus dem Jahr 2002 stützte. Um ein aussagekräftiges und wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Klimagutachten erstellen zu können, hätte man über einen längeren Zeitpunkt die Windströme erfassen müssen. Zudem gebe es in der Wissenschaft erhebliche Zweifel an der von Ökoplana angewandten Methode. Demnach könne die tatsächliche Windrichtung von der vom Gutachter angenommenen um bis zu 150 Grad abweichen. Reiner Dietrich: „Konkret bedeutet dies, dass sich der Wind also drehen kann – sowohl im Modell wie auch hoffentlich gegen eine Bebauung des Greut.“