Sie sagen: einmal in der Woche hat man als Rentner Zeit, jemandem zu helfen. Die Seniorengruppe „Tat und Rat“ hilft in Esslingen, wenn mal eine Schraube locker ist oder das Wasser aus der Spülmaschine nicht mehr abfließt.

Esslingen - Kurt Nagel weiß, wie er seine Seniorengruppe zum Lachen bringt und packt eine Anekdote aus. Einmal habe eine ältere Dame bei „Tat und Rat“ angerufen: Sie brauche jemanden, der ihr die Glühbirne ihrer Lampe wechsle. „Sie sagte, sie hätte viele Birnen vorrätig und ich müsste keine besorgen“, erinnert sich der 75-Jährige. Als er bei ihr in der Wohnung stand, brachte sie ihm gleich eine Kiste voller Leuchtmittel. Nagel drehte die erste ein, dann die zweite. Bei der dritten Glühbirne war ihm klar: „Die sind ja alle kaputt.“ Die Frau erklärte, sie hätten aber doch alle noch so schön ausgesehen. Da habe sie sie aufgehoben.

 

Seit mehr als 20 Jahren können Menschen, die keine Angehörigen mehr haben oder die wenig Geld besitzen donnerstags zum Telefonhörer greifen und bei der Esslinger Gruppe „Tat und Rat – der Kleinreparaturdienst“ anrufen. Sei es, weil ihre Spülmaschine kein Wasser mehr zieht, das Wasser im Waschbecken nicht mehr abläuft oder weil sie ihre neuen Möbel nicht selbst aufbauen können. „Die meisten Menschen sind 80 Jahre und älter. Wenn jemand da noch die Gicht hat, kann er eben nicht mal mehr eine Glühbirne wechseln“, sagt Nagel, der sich seit gut sechs Jahren in der Gruppe engagiert. Jeden ersten Montag im Monat treffen sich die 15 Senioren, darunter zwei Frauen, in den Räumen des Stadtseniorenrats in der Esslinger Altstadt. Sie erzählen sich von den erledigten Aufträgen, besprechen weitere und schauen, ob noch etwas aussteht. „Die Termine laufen nach Absprache. Das ist ein Vorteil, weil jeder Einsatz flexibel ist“, sagt Irene Zeisel (68).

Kleinigkeiten, die das Tüftlerherz reizen

Die „Tat“ steht dem „Rat“ bewusst voran, denn die Ehrenamtlichen packen in erster Linie an. Und die Senioren machen auch vor kniffligen Aufgaben nicht Halt. Wie etwa Wolfgang Müller. Der 77-Jährige machte schon mal stundenlang an einer Ölklampe rum, deren Glaszylinder sich einfach nicht abnehmen ließ. Dann seien da noch diese Frau und ihre Schreibmaschine gewesen. „Die Großbuchstaben lagen immer zu niedrig. Müllers Sohn fand im Internet heraus, an welcher Schraube man drehen müsse. Also drehte Wolfgang Müller so lange, bis er die Buchstaben wieder auf eine Linie brachte. „Es sind Kleinigkeiten bei denen man aber tüfteln muss“, sagt Müller. Das mache man jedoch gerne, weil die Menschen zum einen sehr glücklich seien und auch der eigene Ehrgeiz eine Rolle spiele.

Aufträge, an die ein professioneller Handwerker ran muss, übernehmen die Senioren nicht. Auch fassen sie nichts an, das mit Gas zu tun hat. Einen Schreiner und Elektriker würden sie sich in ihrem Team noch wünschen. Einen weiteren Gas-Wasser-Installateur auch, denn häufig ist etwas mit Wasch- und Spülmaschinen. „Wir haben nur einen Fachmann für den Sanitärbereich. Wenn er nicht da ist, haben wir ein Problem“, sagt Günter Alles, der bereits seit 20 Jahren mit dabei ist.

Auch mal gemeinsam in den Besen

„Wir sind Rentner. Einmal in der Woche hat man Zeit, jemandem zu helfen“, sagt Heinz Weller, der mit drei Mitstreitern die Fahrradwerkstatt in der Rohräckerschule betreibt, ein weiteres Angebot von „Tat und Rat“. Neben der Dankbarkeit der Betroffenen ziehen die Engagierten aber noch viel mehr aus ihrer Arbeit. Sie sagen, sie hätten Esslingen in der Zeit wirklich kennengelernt, reich und arm, gesund und krank. Und auch untereinander verstehen sich die Senioren gut. Die zehn Euro, die Menschen ihren ehrenamtlichen Handwerkern als Aufwandsentschädigung geben würden, kämen in ein „Kässle“, sagt Günter Alles. Davon machten sie einmal im Jahr einen gemeinsamen Ausflug. „Und in den Besen gehen wir auch zusammen“, sagt er und erntet zustimmendes Nicken.