Die Verwaltung will, dass die evangelische Gesamtkirchengemeinde die im Frühjahr ausgesprochene Kündigung der Kindergarten-Verträge mit der Stadt zurücknimmt. Im Gegenzug soll sie drei Sonderzuschüsse in Höhe von jeweils 200 000 Euro bekommen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Die Bombe ist eher beiläufig geplatzt. In seiner Haushaltsrede hat der Esslinger Grünen-Stadtrat Helmut Müller-Werner öffentlich gemacht, was die Verantwortlichen bereits seit dem Frühjahr wissen. Denn zu diesem Zeitpunkt hat die evangelische Gesamtkirchengemeinde Esslingen den Kindergartenvertrag mit der Stadt vorsorglich gekündigt.

 

Das Ziel dieser Maßnahme ist eindeutig: Will die Stadt, dass die Kirche weiterhin 44 der insgesamt rund 180 Kindergartengruppen in der Stadt betreibt, muss die öffentliche Hand mehr Geld bezahlen. Wenn sie das nicht tue, werde die Kirche eine ganze Reihe der evangelischen Kindergartengruppen an die Stadt übergeben.

Landeskirche gibt deutliche Signale

Der Hintergrund für die drastische Maßnahme: im Rahmen der Sparbemühungen der in finanzielle Schieflage geratenen Landeskirche hat es aus Stuttgart deutliche Signale an die evangelische Gesamtkirchengemeinde in Esslingen gegeben. Zum einen solle man sich von mehreren Immobilien trennen. Zum anderen müsse man das aus Sicht der Landeskirche weit überdurchschnittliche Engagement der Esslinger bei der Kinderbetreuung zurückfahren. Laut einer Empfehlung der Landessynode, also des Kirchenparlaments, müsste die evangelische Kirche aufgrund der Zahl ihrer Gemeindemitglieder in Esslingen lediglich 20 Gruppen anbieten. Für diese fließt ein Zuschuss in Höhe von jährlich 17 000 Euro aus Stuttgart. Die anderen 24 Gruppen hat die Esslinger Kirchengemeinde bisher aus der eigenen Kasse finanziert. Doch da sich diese nun leert, sahen die Verantwortlichen keine andere Möglichkeit, als via Vertragskündigung auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen.

Das, was sich nun im Haushaltsentwurf 2014 der Esslinger Verwaltung wiederfindet, ist ein Kompromiss. Denn der von den Kirchenvertretern gewünschten Erhöhung der Abmangelbeteiligung sowie höheren Zuschüsse für die Verwaltungskosten hat die Stadt nicht entsprochen. Denn schon bisher liegt Esslingen mit seinen durchschnittlich 91 Prozent Zuschüssen für die Freien Träger im oberen Mittelfeld im Land. Zudem wollte man verhindern, dass die aktuelle Notlage der Kirche zu dauerhaften Erhöhungen der Zuschüsse durch die Stadt führt. Statt dessen hat man sich nun auf eine Überbrückungshilfe in Höhe von drei Mal 200 000 Euro in den Jahren 2014 bis 2016 geeinigt, um dem in Not geratenen Partner unter die Arme zu greifen.

Dekan will gemeinsam nach Lösungen suchen

In dieser Zeit, erklärt der Esslinger Dekan Bernd Weißenborn, werde eine Arbeitsgruppe, in der Vertreter der Stadt und der Kirche sitzen, prüfen, wie es vom Jahr 2017 an, wenn also kein Sonderzuschuss mehr fließe, weitergehen soll. „Wir wollen uns nicht aus der Kindergartenarbeit verabschieden, sondern so viele Gruppen wie möglich behalten“, betont Weißenborn. Allerdings müsse man strukturelle Veränderungen etwa bei der Zahl der Kinder berücksichtigen: „Der Zuschuss gibt uns die Möglichkeit, gemeinsam nach vernünftigen Lösungen zu suchen.“

Die Grünen und die Linken halten die Zuschüsse, die der Gemeinderat noch beschließen muss, für überflüssig. Nach eigenen Angaben, so der Stadtrat Helmut Müller-Werner, rechne die evangelische Landeskirche im kommenden Jahr mit Rekordeinnahmen. Müller-Werner: „Somit sollte es der Kirche möglich sein, weiterhin den geringen Eigenanteil an den Kindergartenkosten zu tragen, bis eine geordnete Übergabe einiger Gruppen an die Stadt erfolgt.“ Weißenborn bestätigt eine Sonderzahlung der Landeskirche, betont aber, dass diese nur helfe, das erwartete Defizit zu verringern. Das könne die Kirche eindeutig belegen. Gegenüber den Vertretern der Stadt und des Gemeinderats habe die Kirche absolute Transparenz bei den Zahlen geschaffen.

Das weckt Begehrlichkeiten

Mit einem Viertel aller Kindergartengruppen in Esslingen ist die evangelische Kirche der mit Abstand größte freie Träger von Kindertagesstätten in der Stadt. Wenn die Kirche nun argumentiert, sie stoße mit diesem Angebot an ihre finanziellen Grenzen, kann der Gemeinderat nach einer intensiven Prüfung des Zahlenwerks durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass die Forderung nach mehr Geld berechtigt ist. Dabei ist zu begrüßen, dass der Stadtdekan Bernd Weißenborn Transparenz bei der Prüfung zusagt.

Allerdings müssen sich die Vertreter der Stadt auch über die möglichen Konsequenzen im Klaren sein. Denn mit den nun ausgehandelten Extrazahlungen in Höhe von jeweils 200 000 Euro in den kommenden drei Jahren, die die Kirche zur Bedingung für die Rücknahme der Kindergarten-Vertragskündigung gemacht hat, weckt die Stadt Begehrlichkeiten bei anderen freien Trägern der Kindergartenarbeit. Ein solcher Sonderzuschuss wird sich nur, wenn es wirklich sehr gute, allein die evangelische Kirche betreffende Argumente gibt, den anderen Kitabetreibern vermitteln lassen. Ansonsten werden diese ihrerseits Forderungen stellen. Die Gefahr ist groß, dass die Stadt am Ende deutlich mehr wird zahlen müssen – und zwar an alle.

In Zeiten, in denen die Fraktionen das strukturelle Defizit im Esslinger Haushalt beklagen, wäre dies ein bedenkliches Signal. Auch wenn die Argumente auf den ersten Blick plausibel erscheinen: Es lohnt sich also, den Vertrag noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen.