Es ist das beste Ergebnis seit 25 Jahren. Das Esslinger Schauspiel unter Friedrich Schirmer kommt beim Publikum ausgesprochen gut an.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“ Friedrich Schirmer zitiert eine alte Fußballer-Weisheit, um die aufkeimende Euphorie an der Württembergischen Landesbühne Esslingen (WLB) unter Kontrolle zu halten. In der Tat aber sind die Zahlen, die die WLB jetzt zum Verlauf der zweiten Spielzeit in der Intendanz Friedrich Schirmers präsentiert hat, überaus bemerkenswert.

 

Mit 113 082 Besuchern hat die WLB in der Spielzeit 2015/2016 ihr bestes Ergebnis seit 25 Jahren erzielt und sich ganz nebenbei noch als ernst zu nehmende Konkurrenz des Stuttgarter Staatstheaters etabliert. Denn im dortigen Schauspielhaus sind in der vergangenen Saison ebenfalls nur 113 000 Menschen gezählt worden.

Natürlich hinkt der Vergleich ein wenig, weil in der Esslinger Statistik auch alle Abstecher aufgelistet werden. Da wiederum kommen in Stuttgart noch einmal 7000 Gäste hinzu. Aber auch für sich allein betrachtet, geht das Publikumsinteresse in Esslingen deutlich nach oben. Dass Friedrich Schirmer in seiner ersten Spielzeit mehr Besucher als sein Vorgänger Manuel Soubeyrand anlocken würde, hat man in Esslingen erwartet. Soubeyrand hatte in der Spielzeit 2013/2014 immerhin 94 000 Zuschauer erreicht, Schirmer lockte in seinem ersten Jahr 109 000 Menschen an.

Aus der befürchteten Delle ist eine Beule geworden

Schließlich hat Schirmer nach seiner ersten Intendanz in Esslingen von 1985 bis 1989 unter anderem zwölf Jahre lang das Stuttgarter Schauspielhaus und im Anschluss das renommierte Deutsche Schauspielhaus in Hamburg geleitet und war dann – für viele Beobachter überraschend – an die Württembergische Landesbühne zurückgekehrt. Doch die zweite Spielzeit gilt allgemein als kritisches Jahr, in der es oft an Schauspielhäusern eine Delle in der Besucherstatistik gibt, weil die erste Neugierde des Publikums auf die Arbeit des neuen Intendanten nachlässt.

Doch in Schirmers Fall ist aus der Delle eher eine Beule geworden. Besonders die Esslinger, wohl aber auch viele Stuttgarter, die gerne an Schirmers Intendanz am Staatstheater zurückdenken, haben den Weg ins Esslinger Schauspielhaus gefunden. Waren es in Esslingen selbst 2014/2015 noch 65 000 Zuschauer, so sind es in der vergangenen Spielzeit fast 70 000 Menschen gewesen, die sich für eine Aufführung in Esslingen eine Karte gekauft haben. Natürlich, so schränkt Schirmer ein, habe man auch mit dem Wetter Glück gehabt. Denn das Besucherinteresse an der jährlichen Freiluftinszenierung hänge auch maßgeblich von der Witterung ab. Allerdings: optimal sind die Bedingungen in diesem Sommer auch nicht gewesen. Und dennoch kamen – obwohl es drei Aufführungen weniger gab – annähernd genau so viele Besucher zum „Hamlet“ wie im Vorjahr zum „Postmichel“. Im kommenden Sommer steht dann „Luther!“ auf dem Programm auf dem Kesslerplatz.

Doctor Faustus hat das Zeug zum Publikumsrenner

Die erfolgreichste Produktion des Abendprogramms war „Der Sheriff von Linsenbach“ mit 13 nahezu ausverkauften Vorstellungen allein in Esslingen. Wie knitz die schwäbische Komödie ist, in der der Moderator Wieland Backes eine Gastrolle übernommen hat, hat sich mittlerweile in ganz Baden-Württemberg herumgesprochen: Die Zahl der Gastspielengagements für den „Sheriff“ liegen schon jetzt für die aktuelle Spielzeit höher als in der vergangenen Saison. Schirmers Konzept, Stücke über mehrere Spielzeiten im Programm zu halten, scheint sich also zu bewähren. Auch das gerade uraufgeführte Musical „Doctor Faustus Magical Circus Part II“ hat durchaus das Zeug dazu, ein Publikumsrenner zu werden.