Hinter die Geheimnisse der Festigkeit von Carbonteilen versucht das Denkendorfer Forschungszentrum ITV zu kommen. Zu diesem Zweck hat ihm das Land Baden-Württemberg neue Maschinen spendiert.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Denkendorf - Da steht die Vakuumpresse nun: So schwer, dass sie durch die dünne Bodenplatte des Textilforschungszentrums Denkendorf (ITV) gebrochen wäre, hätte man nicht ein eigenes Fundament gegossen. Das Land Baden-Württemberg hat dem ITV eine knappe Million Euro überwiesen, um Maschinen zu kaufen, mit denen die Wissenschaftler in neue Dimensionen vorstoßen wollen.

 

Zum Beispiel in die Carbonfaser -Technik. Der Werkstoff der Zukunft wird immer mehr anstelle von Stahl im Fahrzeugbau eingesetzt. Matten aus Carbonfasern werden mit Kunststoff laminiert und in der Vakuum-Presse zu stabilen und vor allen Dingen sehr leichten Bauteilen geformt.

Die neue Presse hat zwei entscheidende Vorteile. Die Hochdruck-Kammer ist mehr als einen Meter breit, so dass die Denkendorfer jetzt wirklich große Bauteile „backen“ können. Außerdem erzeugt die Presse in ihrer Kammer ein Vakuum. Denn nichts ist schlimmer als ein Lufteinschluss in einem Carbonbauteil, das damit gewissermaßen eine Sollbruchstelle bekommt.

Diese Bauteile, platten- oder knochenähnliche Profile, prüfen die Wissenschaftler um den Ingenieur Simon Küppers auf ihre Festigkeit. Sie müssen herausfinden, was passiert, wenn sich die Carbonmatten verschieben, oder wenn sie gefaltet werden, um daraus Erkenntnisse für die Serienproduktion zu gewinnen. Simon Küppers Mitarbeiter Stephan Baz beteiligt sich an einem nicht minder spannenden Thema: Er erforscht unter anderem das Carbon-Reycling.

Die Bedenken, dass Kunststoffautos nicht recycelbar seien, werden gerade von den Denkendorfer Forschern zerstreut. Wenn ein Bauteil außer Dienst gestellt wird, dann wird es zunächst geschreddert, anschließend wird das Laminat abgeschmolzen. Damit entstehen Bündel von verschieden langen Fasern, wie sie auch natürliche textile Rohstoffe haben, etwa Baumwolle oder Leinen.

Aus diesen Fasern kann man neue Carbonteile machen, über deren Festigkeit die Techniker wiederum Erkenntnisse benötigen. Ebenfalls testen wollen die Denkendorfer, wie man Sensoren in solche Bauteile integriert. Diese Sensoren können nicht nur Informationen darüber liefern, wann die Lebensdauer etwa eines Carbonkotflügels abgelaufen ist, sie können auch schon während der Produktion das Bauteil überwachen. Damit könnte für einen Hersteller die Endkontrolle wegfallen.

Das Landesgeld ist aber auch noch in andere Etagen des ITV geflossen. Groß und blau steht ein neuer Thermokalander im Institut. Über ihn wacht Ingo Windschiegl, der Vliese herstellt. Ein Kalander ist, ganz grob vereinfacht, eine Art Heißmangel. Das Vlies kommt zwischen zwei heizbare Stahlwalzen und wird dann zusammen geschmolzen. Als Grundstoffe verwendet Windschiegl besonders dünne, reißfeste und temperaturbeständige Fasern. Diese werden nicht in Thermohosen und Skikleidung eingebaut, sondern in Filter und in Schutzanzüge. Je kleiner die Öffnungen in den Vliesen, desto präziser ist die Filterwirkung, deswegen können solche Vliese auch zur Blutfiltration verwendet werden.