Das Tübinger Unternehmen Osiander übernimmt Anfang Juli die Esslinger Traditionsbuchhandlung H. Th. Schmidt. Die Mitarbeiterinnen werden weiterbeschäftigt. Zudem eröffnet Osiander in der Esslinger Pliensaustraße eine weitere Filiale.
Esslingen - Nach 95 Jahren im Familienbesitz endet für die Esslinger Buchhandlung H. Th. Schmidt eine Ära. Denn sie wird Anfang Juli von Osiander übernommen. Das Tübinger Unternehmen hatte schon seit längerer Zeit geplant, in Esslingen einzusteigen. Als es nun auf die H. Th. Schmidt-Geschäftsführerin Eva Berndt mit einem Kaufangebot zukam, entschloss sich diese zum Verkauf. „Schweren Herzens“, wie sie sagt. Sie habe sich zuvor schon altershalber Gedanken über eine Nachfolge gemacht. Aber eine Lösung habe sich nicht abgezeichnet, nachdem ihre Kinder beruflich anderweitig gebunden seien. Das Angebot von Osiander „ist für mich und mein Geschäft eine Riesenchance“.
Zumal die Verantwortlichen von Osiander zugesagt haben, die sieben Mitarbeiterinnen von H. Th. Schmidt weiterzubeschäftigen. „Das war der Punkt, um den es ging. Sonst hätte ich es nicht mitgemacht“, stellt die Geschäftsführerin Eva Berndt die aus ihrer Sicht wichtigste Bedingung für das Übernahmegeschäft mit Osiander klar. Leicht gefallen sei ihr der Verkauf nicht, schließlich sei sie schon seit 27 Jahren im Haus. Vor rund acht Jahren hatte sie die Leitung des Geschäfts von ihrem Vater Volker Schmidt übernommen.
Ganz will sie sich allerdings nicht aus der Esslinger Buch-Szene verabschieden. Den Laden Buch Schmidt in der Bahnhofstraße werde sie weiterführen, erklärt Eva Berndt. Im Jahr 2013 übernahm sie dort die einstige Buchhandlung Stahl, nachdem die Schmidtsche Filiale schräg gegenüber wegen des Umbaus der Kreissparkasse aufgegeben werden musste.
Weitere Filiale in der Pliensaustraße
Osiander zieht aber nicht nur in das Gebäude auf der Inneren Brücke ein, sondern eröffnet unweit eine weitere Filiale in der Pliensaustraße 17. Der Grund dafür ist laut Hermann-Arndt Riethmüller, dem Seniorchef der Buchhandlung Osiander, „dass wir mehr Platz brauchen“ als die 350 Quadratmeter auf der Inneren Brücke. In der kleineren Filiale mit rund 200 Quadratmetern Verkaufsfläche konzentriere sich das Unternehmen voraussichtlich auf die Sparten Belletristik und Wohlfühlthemen.
Eva Berndt „glaubt nicht“, dass Osiander für die kleineren Buchhandlungen in Esslingen eine Bedrohung deren Existenz darstellt. Das sieht Hermann-Arndt Riethmüller nicht anders. Sein Unternehmen wolle keine Konkurrenz für andere, kleinere Buchhändler aufbauen, sondern „die Menschen zurück in die Innenstädte holen“. Es gebe einige Beispiele dafür, dass dieses Konzept funktioniere.
Kleinere Buchhandlung fürchtet nicht um ihre Existenz
Marianne Rist ist seit 1998 die Inhaberin des traditionellen Buchgeschäfts Stocker und Paulus am Esslinger Postmichelbrunnen. Sie fürchtet nicht um ihre Existenz durch die Ansiedlung der Branchengröße Osiander. „Der Handel im Internet macht uns weit mehr zu schaffen als eine Konkurrenz am Ort“, erklärt sie. Als sie ihr kleines Buchgeschäft – eines der ältesten im Land – vor rund 18 Jahren gekauft habe, habe sich in der Nachbarschaft die Buchhandlung Wittwer befunden: „Das hat sich auch vertragen.“ Die kleineren Geschäfte der Branche könnten „auf ihr Profil und ihre Stammkunden“ bauen. Für Osiander sei die Übernahme von H. Th. Schmidt aber „sicher eine gute Standortentscheidung“.
Eine Buchhandlung auf Expanisonskurs
H. Th. Schmidt
Die Buchhandlung H. Th. Schmidt ist im Jahr 1921 von Hermann Theodor Schmidt gegründet worden. Seitdem ist sie auf der Inneren Brücke ansässig und bietet auf drei Stockwerken Belletristik, Kinderbücher sowie Sach- und Fachliteratur an. Zudem betrieb H. Th. Schmidt 40 Jahre lang eine Filiale in der Bahnhofstraße. Eva Berndt ist die Enkelin des Firmengründers.
Osiander
Die Tübinger Buchhandlung Osiander ist die drittälteste der noch bestehenden Buchhandlungen in Deutschland. Sie ist 1596 von Erhard Celius gegründet worden und erhielt ihren Namen später von Christian Friedrich Osiander. Sie ist im Besitz der Familie Riethmüller. Die Buchhandlung beschreibt sich selbst als „erfolgreiches und innovatives Familienunternehmen, das mit nachhaltigem Wachstum seine führende Rolle in Süddeutschland ausbaut“. Osiander betreibt eigenem Bekunden nach mit mehr als 500 Mitarbeitern 37 Buchgeschäfte in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen. In der Region Stuttgart hat Osiander zuletzt die Traditionsbuchhandlung Hess in Waiblingen übernommen. Jedes Jahr würden zwei bis drei Buchhandlungen übernommen oder eröffnet, erklärt die Buchhandlung.
Stiftung
Die Familie Riethmüller hat Ende vergangenen Jahres das gesamte Betriebsvermögen in eine Familienstiftung eingebracht. Der Zweck der Osiander Stiftung ist es, „den Fortbestand der Osianderschen Buchhandlung als Familienunternehmen dauerhaft zu sichern“.