Der Radnetz-Ausbau in Esslingen geht nur schleppend voran. Die Radfahrer-Lobby sieht die Stadtverwaltung in der Pflicht. In einem Schreiben an den Gemeinderat fordern die Radler, die Weichen neu zu justieren.

Esslingen - Die Esslinger Radfahrer haben ein Déjà-vu. „Von Autofahrern an den Rand gedrängt, von den Stadtoberen im Stich gelassen und vom Ordnungsamt und der Polizei ausgebremst.“ Diese Eigenwahrnehmung hatte sie vor zwei Jahren dazu bewogen, mit einem Demonstrationszug durch die Stadt auf ihre Situation hinzuweisen. Bis heute hat sich daran offensichtlich nicht viel geändert.

 

Diesen Eindruck erweckt ein Schreiben, mit dem sich der Kreisvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), Thomas Rumpf, auch im Namen der AG Rad des Verkehrsclubs Deutschland und des Bündnisses „Esslingen aufs Rad“, jetzt an den Esslinger Gemeinderat gewandt hat. In dem Brief stellt Rumpf unter Hinweis auf das seit dem Jahr 2013 vorliegende Radverkehrskonzept fest, dass „das Tempo für die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen seit einiger Zeit in alarmierender Weise abnimmt“. Engpässe und eine „Prioritätensetzung zu Lasten des Radverkehrs“ hätten dringend erforderliche Vorhaben verzögert.

Der Baubürgermeister kann die Kritik nachvollziehen

Zu diesen Vorhaben zählt Rumpf die Ausweisung einer attraktive Alternative für Radpendler unter Umgehung des Neckaruferwegs ebenso wie die fahrradfreundliche Umgestaltung der zentralen Kieskreuzung oder die fehlende Radwegverbindung zwischen der Weststadt und der Ritterstraße, die die Radfahrer auf die Fahrt durch den Innenstadtpark Maille zwingen würde. Die Bestandsaufnahme beschließt der ADFC-Kreischef mit der Bitte, der Gemeinderat möge doch die Weichen zu Gunsten einer verbesserten Radmobilität neu justieren.

„Ich kann die Kritik ein Stück weit nachvollziehen“, sagt Wilfried Wallbrecht, der Baubürgermeister der Stadt. Die Verzögerungen seien bedauerlich und auf einen Personalwechsel und auf Krankheitsfälle im zuständigen Planungsamt zurückzuführen. „Bis sich neue Kräfte in die komplexe Aufgabe eingearbeitet haben, dauert es Jahre. Wir sind dabei, wieder Fahrt aufzunehmen“, verspricht er. Auch die Arbeitsgemeinschaft Radverkehr, bei der die Verwaltung mit den Radverbänden an einem Tisch sitzt, soll wieder in die Gänge kommen.

Die Verkehrsplaner wollen die Schlagzahl erhöhen

„Wir erhöhen die Schlagzahl“, so lautet auch die Botschaft der Abteilung Verkehrsplanung im Rathaus. „Die Kieskreuzungs-Umgestaltung steht auf dem Papier. Noch im Frühjahr ist der Durchstich des Rossneckartunnels in Richtung Fleischmannstraße geplant und in der Ritterstraße installieren wir neue Abstellmöglichkeiten“, zählt die für den Radverkehr zuständige Planerin Christine Locher auf. Allerdings schränkt sie ein, dass mehr Zeit zwischen Plan und Umsetzung verflossen sei, als geplant.

Im virtuellen Raum zumindest sitzen die Esslinger Verkehrsplaner schon wieder fest im Sattel. „Mit unserer neuen Homepage sind wir vor zwei Wochen online gegangen“, sagt Sabine Frisch, die im Sachgebiet Nachhaltigkeit und Klimaschutz das Thema Radfahren unter Marketinggesichtspunkten beackert. Über die Startseite www.esslingen.de und den Unterpunkt Service kommt man auf die Mobilitätsseite. Dort findet sich auch ein Hinweis auf das „Stadtradeln“, bei dem alle Esslinger aufgerufen sind, im Mai drei Wochen lang möglichst viele Radkilometer zurückzulegen. Wilfried Wallbrecht und Christine Locher gehen dabei als Radler-Stars an den Start: Sie verzichten im Aktionszeitraum völlig auf das Auto.