Gleich drei Premieren stehen am Wochenende auf dem Programm der Württembergischen Landesbühne. Es gibt absurdes Theater, eine Revue und einen Klassiker.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Jeder Mensch lebt in seiner eigenen Wirklichkeit. Und es gelingt ihm trotz aller Möglichkeiten der Kommunikation nicht, in die Wirklichkeit des anderen vorzudringen.“ Das ist eine der zentralen Erkenntnisse, die der Regisseur Alexander Müller-Elmau bei der von ihm erarbeiteten Fassung des Henrik-Ibsen-Klassikers „Hedda Gabler“ gewonnen hat. Als Höhepunkt des großen Premierenwochenendes zur Eröffnung der Spielzeit der Württembergischen Landesbühne Esslingen erlebt „Hedda Gabler“ am Samstag um 19.30 Uhr ihre Premiere im Esslinger Schauspielhaus.

 

Das Ensemble der WLB startet von Freitag bis Sonntag mit insgesamt gleich drei Premieren in die neue, bereits vierte Saison in der Intendanz von Friedrich Schirmer. Am Freitag steht um 20 Uhr im Studio am Blarerplatz Harold Pinters absurdes Werk „Der stumme Diener“ auf dem Programm. Den Abschluss des Premierenwochenendes bildet am Sonntag – durchaus bewusst auf den Abend der Bundestagswahl gelegt – um 20 Uhr im Podium 1 des Schauspielhauses Ortrud Beginnens ebenso amüsante wie bitterböse kabarettistische Heimatrevue „Wir Mädels singen – eine deutsche Angelegenheit“ aus dem Jahr 1993.

Inhaltlich gibt es zu 95 Prozent Ibsen

Alexander Müller-Elmau, der unter anderem schon an der Bayrischen Staatsoper, am Stuttgarter Staatstheater und am Düsseldorfer Schauspielhaus gearbeitet und in Esslingen Kafkas „Der Prozess“ auf die Bühne gebracht hat, hat sich für eine „sehr modernisierte Bearbeitung“ von „Hedda Gabler“ entschieden. Er betont aber, dass das Publikum „inhaltlich zu 95 Prozent Ibsen“ erleben werden. Allerdings seien die Figuren „absolut heutig“.

Ibsen erzählt in seinem Stück von einer Frau mit destruktivem Charakter, deren Widersprüche und Aufbegehren gegen gesellschaftliche Konventionen sie schließlich in den Tod treiben. Der Klassiker, so heißt es in der Ankündigung der WLB, „ist eine zeitlose Parabel über den Zwiespalt von Handeln und Denken, die Brüchigkeit bürgerlicher Werte und über Lebenslügen“. Statt eines Klaviers, wie es Ibsen vorsieht, sorgt in Esslingen die Cellistin Céline Papion für die Musik, wobei Papion, so Müller-Elmau, „als quasi sechste Schauspielerin“ ständig auf der Bühne sei und mit ihren Klängen die Gefühlswelt Hedda Gablers (Kristin Göpfert) widerspiegele. In den weiteren Rollen sind Martin Theuer, Ralph Hönicke, Katja Uffelmann und Antonio Lallo zu sehen.

Klaustrophobische Spielstätte

Bereits am Freitag empfangen die beiden Protagonisten Ben (Frank Stöckle) und Gus (Jo Jung) in Harold Pinters „Der stumme Diener“ die Zuschauer in einem Kellerraum. „Das Studio am Blarerplatz ist sicher die klaustrophobischste Spielstätte der WLB und eignet sich deshalb hervorragend“, begründet der Regisseur Marek Bednarsky die Wahl des Aufführungsorts. Ben und Gus sind professionelle Killer, die im Keller auf den nächsten Auftrag warten. Sie sind schon so abgestumpft, dass sie ihrer Arbeit nachgehen, als wäre es eine ganz normale Beschäftigung. nachgehen. Statt über ihr Tun zu reflektieren, beschäftigen sie sich mit klassischen Arbeitnehmerproblemen. Das absurde 60-Minuten-Stück, in dem Pinter die Frage der Entfremdung des Menschen in der zunehmend als sinnlos empfundenen Wirklichkeit der industriellen Gesellschaft thematisiere, sei, so der Regisseur Bednarsky, „eine Drahtseilakt“. Einerseits dürfe man das Stück nicht mit Bedeutung überfrachten und müsse eigene Ambitionen hintan stellen. Andererseits gehe es darum, nicht in die Banalität abzukippen.

In Ortrud Beginnens „Wir Mädel singen“ erleben die Zuschauer, wie drei Damen – Sabine Bräuning, Gesine Hannemann und Nina Mohr – Gutes tun wollen und dabei in so ziemlich jedes nur vorstellbare Fettnäpfchen treten. Entstanden in den 1990-er Jahren, als bereits schon einmal Asylunterkünfte in Deutschland brannten, griff Ortrud Beginnen, die in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feiert, die damals noch hilflosen ersten versuche einer Willkommenskultur auf. Entlarvend, so der Regisseur James Lyons, sei, dass die Frauen vor allem aus purem Egoismus handelten, frei nach dem Motto: Wir tun Gutes, vor allem reden wir aber darüber. Karten gibt es telefonisch unter 07 11/35 12 30 44 oder unter wlb-esslingen.de