Die Rathausspitze will in die Lebensqualität der Bürger investieren. CDU-Chef Kotz kritisiert OB Kuhn. Er sieht noch Korrekturbedarf, etwa im Sportbereich.

Stuttgart - OB Fritz Kuhn (Grüne) und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) haben dem Gemeinderat ihren 503 Seiten dicken Entwurf des Doppelhaushalts 2018/19 vorgelegt. Die Fraktionen nahmen das ohne große Aussprache zur Kenntnis. Ihre Replik folgt am 19. Oktober, am 15. Dezember wird der Haushalt nach der dritten Lesung verabschiedet. Kuhn schlägt neue Maßnahmen und Investitionen im Gesamtvolumen von 690 Millionen Euro im Finanzplanungszeitraum bis 2022 vor. Auf den Haushalt entfallen 346 Millionen Euro. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Bildung, Betreuung, Inklusion, Wohnen, Mobilität und grüne Infrastruktur. Kuhn nahm in Bezug auf sein großes Projekt Sauberkeit in der Stadt den Innenstadthandel aufs Korn. Seit Jahren beklage dieser die Verschmutzung, lasse aber die Lösung des Problems unkommentiert.

 

OB Kuhn reagiert auf Kritik

Der OB sagte, mit diesen Vorschlägen nutze er die finanziellen Spielräume, damit könnte die Lebensqualität für die Bürger in vielen Bereichen verbessert werden. Es handele sich um einen „Infrastrukturverbesserungshaushalt“. Das Gesamtvolumen bis 2022 liege um 200 Millionen Euro höher als im Entwurf vor zwei Jahren. „Wir sind nicht mondsüchtig“, sagte Kuhn. Die Einnahmenerwartungen basierten auf der Mai-Steuerschätzung. Die Rathausspitze reagiert auf die Kritik des Gemeinderats bei der Präsentation des Jahresabschlusses 2016, der einen Überschuss von 231 Millionen Euro auswies. Der Gewinn wanderte in die Rücklagen, etwa für die Sanierung der Oper oder neue SSB-Fahrzeuge. Die übrige Liquidität wird für neue Investitionen verwendet. Die Fraktionen bemängelten seinerzeit, der Entwurf sei Ende 2015 unnötig auf Kante genäht und damit der Spielraum für Kernaufgaben eingeschränkt worden. Bestandteil des Haushalts sind allerdings auch Ermächtigungsübertragungen von rund einer halben Milliarde Euro; damit sind Projekte gemeint, die finanziert, aber noch nicht realisiert sind.

Im Entwurf des laufenden Ergebnishaushalts werden Überschüsse von rund 38 Millionen Euro für beide Jahre ausgewiesen. Föll sagt, diese Ansätze seien seriös geplant, bei der Gewerbesteuer habe sich die Situation nicht grundlegend geändert, er rechne mit 610,4 und 620,4 Millionen Euro. Der Schuldenstand verringere sich im kommenden Jahr auf 47,8 Millionen Euro, steige aber 2019 auf 105,2 Millionen Euro. Ende 2022 könnten 139,7 Millionen fremdfinanziert sein. Der Investitionswert von 16 Prozent (neue Vorhaben plus Ermächtigungen) sei „ein einzigartiger Spitzenwert unter deutschen Großstädten“, so Föll.

CDU-Chef sieht Korrekturbedarf

Dennoch meinte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, OB Kuhns Entwurf fehlten die Innovationen. Der Etat sei aber „eindeutig fülliger als in der Vergangenheit“ und enthalte mehr Kernaufgaben. Kuhn müsse nach seiner „ernüchternden Halbzeitbilanz“ etwas tun, „sonst sind acht Jahre rum und es bleibt nicht viel mehr als ein Grußwort.“ Kotz sieht durchaus Korrekturbedarf am Entwurf, etwa im Sportbereich. So sei nicht hinzunehmen, dass für das Dach der Gegentribüne des Gazi-Stadions auf der Waldau keine Mittel eingestellt würden.

Stellenverdopplung laut Kuhn nicht möglich

Die Vertreter der rund städtischen 11 000 Mitarbeiter hatten zuletzt geäußert, sie erwarteten „einen Personalhaushalt“. Sie haben immer wieder auf einen „massiven Personalmangel“ hingewiesen. Die Verwaltungsspitze schlägt vor, 287 neue Stellen bei der Stadtverwaltung zu schaffen und 99 beim Abfallwirtschaftsbetrieb für das Konzept „Sauberes Stuttgart“. Hinzu kämen 103 Stellen, bei denen die Befristung wegfällt oder verlängert wird. „Wir brauchen gut ausgebildetes Personal“, sagte Föll. OB Kuhn sagte, es gebe einen ungewöhnlich hohen Zuwachs, eine Verdoppelung sei aber nicht möglich.

SPD-Fraktionschef Martin Körner wies darauf hin, dass sich die Zahl der jährlich altersbedingt ausscheidenden Mitarbeitern von 200 auf rund 400 verdoppeln werde, die Stadt aber schon heute große Schwierigkeiten habe, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Es sei ein Fehler, mehr als 1000 Leute nur befristet zu beschäftigen. Ein Grund für unzumutbar hohe Arbeitsbelastungen sei die Auslegung des Stellenschaffungskriteriums der Arbeitsmehrung. Sie sieht zusätzliche Stellen bei einer Steigerung von 20 Prozent binnen zwei Jahren vor. Weil die Verwaltung nicht einen Ausgangszeitpunkt zur Bewertung heranziehe, sondern das jeweilige Haushaltsjahr, könnte in sechs Jahren die Arbeitsbelastung um drei mal 19 Prozent steigen, ohne dass auch nur eine Stelle geschaffen werden müsste.