Weil viele Patienten lange und zum Teil vergeblich auf ein Spenderorgan warten, hat der Bundestag im Juni 2012 beschlossen, alle Krankenversicherten regelmäßig zu fragen, ob sie im Fall ihres Todes zu einer Organspende bereit wären. Die Krankenkassen haben daraufhin Informationsmaterial und Spenderausweise verschickt. Der Ethikrat ist mit der ersten Aussendung aus dem Jahr 2013 unzufrieden, weil er zwischen den Kassen erhebliche Unterschiede entdeckt. Zum Teil wurden veraltete Zahlen genannt, auch sachliche Fehler kamen vor. Vor allem kritisiert der Ethikrat, dass in vielen Fällen die Optionen auf dem Spenderausweis nicht ausreichend erläutert worden seien. Was bedeutet es zum Beispiel, die Entscheidung auf eine Vertrauensperson zu übertragen, und was bedeutet es, den Ausweis nicht auszufüllen?

 

Der Medizinethiker Giovanni Maio von der Uni Freiburg teilt die Kritik. „Das größte Problem ist, die Bürger objektiv und vorurteilsfrei aufzuklären“, sagt er. „Derzeit wird suggeriert, als seien alle Fragen geklärt und die Einwilligung in die Organspende eine Bagatelle.“ Die Beratung soll ergebnisoffen sein und jeder Befragte ist in seiner Entscheidung frei – diese Prinzipien sollten Maio zufolge ernster genommen werden. „Man muss vermeiden, dass verkappte Werbekampagnen als ausgewogene Information ausgegeben werden“, sagt er.

Verbesserungen im System

Der Ethikrat nennt in seiner Stellungnahme einige schlechte Vorbilder. Eine Krankenkasse lässt zum Beispiel nur einen Gegner der Organspende zu Wort kommen, der sagt, er wisse zu wenig über das Thema. Diskutiert werden sollten nach Ansicht des Ethikrats etwa die Bedenken, dass sich die Angehörigen nach der Organspende nicht richtig vom Verstorbenen verabschieden könnten. Denn darauf könnte man entgegnen, „dass der Leichnam in würdigem Zustand zur Bestattung zu übergeben und den Angehörigen zuvor Gelegenheit zu geben ist, den Leichnam zu sehen“.

Auch der Medizinethiker Urban Wiesing von der Uni Tübingen setzt auf eine offene Diskussion und erwartet, dass die Stellungnahme des Ethikrats ungeachtet ihres komplizierten Fazits (siehe 1. Seite) das Vertrauen in das Organspendesystem erhöhen wird. Um mehr Spenderorgane zu gewinnen – ein Ziel, das Wiesings Fachkollege Giovanni Maio ablehnt, weil er die Frage für so elementar und persönlich hält, als dass man moralischen Druck ausüben dürfe – fordert Wiesing Verbesserungen innerhalb des Organspendesystems. „Unsere niedrige Spenderquote liegt auch daran, dass wir nicht alle Chancen nutzen“, sagt er. „Es gibt zum Beispiel immer noch Krankenhäuser, die sich nicht angemessen um das Thema kümmern.“