EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat angesichts der Tragödien im Mittelmeer eine Flüchtlingsquote für alle EU-Länder gefordert. Er weist damit den Weg – richtig so, kommentiert Christopher Ziedler.

Straßburg - Es ist ein starker Auftritt gewesen, den Jean-Claude Juncker im Europaparlament abgeliefert hat. Seine ersten Amtsmonate waren nicht einfach, überschattet vom Luxemburger Steuerskandal, den er politisch mitverantwortet. Am Mittwoch hat er so agiert, wie ein EU-Kommissionschef agieren sollte: nicht abwartend, bis alle Staats- und Regierungschefs ihren Segen geben, sondern initiativ, Europas Richtung vorgebend, was bei Vorgänger José Manuel Barroso vermisst wurde. Mit dem Eingeständnis einer europäischen Mitschuld an den Flüchtlingskatastrophen sowie der Forderung nach mehr Entwicklungshilfe, legalen Zuwanderungschancen und einem Verteilungsschlüssel für Asylbewerber hat Juncker den eigenen Anspruch erfüllt, eine politischere EU-Kommission anzuführen.

 

In der Sache liegen er und das Europaparlament ebenfalls richtig. Die bisherige Aufnahmepraxis vieler EU-Staaten ist beschämend. Angesichts der dramatischen Krisen um Europa herum ist mit mehr Flüchtlingen zu rechnen als bisher. Die gesellschaftliche Akzeptanz dafür dürfte in Gefahr geraten, wenn das Gefühl entsteht, dass die Solidarität sehr ungleich verteilt ist. Wie eine solche Verteilung konkret organisiert werden kann, wird noch vieler Beratungen bedürfen – doch ein erster Schritt auf einem richtigen Weg ist nun gemacht.