Unternehmen müssen von 2015 an mitteilen, was sie in Entwicklungsländern für Schürfrechte oder Lizenzen bezahlen. Weil ähnliches in den USA gilt, unterliegen dann 90 Prozent der Rohstoffkonzerne weltweit dieser Verpflichtung.

Brüssel - Dubiose Rohstoffgeschäfte mit korrupten Regierungen in Afrika oder Asien könnten bald der Vergangenheit angehören: Ein neues EU-Gesetz sieht vor, dass europäische Unternehmen ihre Finanzströme in diesen Ländern offenlegen müssen. Darauf einigten sich am Dienstagabend Vertreter des Europaparlaments mit der irischen Ratspräsidentschaft, die im Namen der 27 europäischen Regierungen verhandelt. Da der formale Beschluss durch die Institutionen nur noch als Formsache gilt, sprach der EU-Kommissar Michel Barnier, der die Regelung im Herbst 2011 vorgeschlagen hatte, von einer „neuen Ära der Transparenz“.

 

Den Mitgliedstaaten bleiben zwei Jahre zur Umsetzung der Richtlinie. Spätestens Mitte 2015 müssen Unternehmensberichte dann die Gebühren für Lizenzen oder Genehmigungsverfahren sowie entsprechende Steuerzahlungen enthalten. Nicht unerwähnt darf auch bleiben, wenn ein Konzern beispielsweise für die Verbesserung der Infrastruktur rund um sein Bergwerk, seine Ölförderungsanlage oder seinen Forstbetriebe aufkommt. „Alles, was mit der Ausbeutung der jeweiligen Ressourcen zusammenhängt, muss öffentlich gemacht werden“, erklärt die baden-württembergische Europaabgeordnete Franziska Brantner von den Grünen.

Ziel des Gesetzes ist, dass korrupte Regime nicht länger den Reichtum ihres Landes heimlich der Bevölkerung vorenthalten können. Die britische Labour-Europaabgeordnete Arlene McCarthy, die für das Parlament die Verhandlungen führte, verwies darauf, dass die Rohstoffimporte aus Afrika mit 393 Milliarden Dollar im Jahr 2008 etwa neunmal so hoch waren wie der Wert der internationalen Entwicklungshilfe mit 44 Milliarden Dollar: „Entwicklungsländer in aller Welt werden ihrer Chance beraubt, an den Erlösen aus dem Öl- und Gassektor teilzuhaben.“ Europäische Gesetzgebung könne einen Wandel in Entwicklungsländern herbeiführen, so Kommissar Barnier, „in rohstoffreichen Ländern werden lokale Gemeinschaften endlich genauer wissen, was ihren Regierungen gezahlt wird“.

Deutsche Wirtschaft bewertet Berichtspflicht kritisch

Die Berichtspflicht gilt für Unternehmen mit Sitz in Europa, aber auch für Firmen von außerhalb, die an einer europäischen Börsen gelistet sind. Sie setzt bei einem Geschäftswert von 100 000 Euro ein – ursprünglich sah Brüssel 500 000 Euro vor. Weil die Vereinigten Staaten im vergangenen Herbst jedoch ein ähnliches Gesetz verabschiedeten, wurden die Bestimmungen im Lauf der Verhandlungen angeglichen. „Unternehmen müssen nun nicht, wie viele von ihnen befürchtet hatten, in der EU und den USA zweimal unterschiedlich berichten“, so Franziska Brantner.

Als Erfolg feiern die Europaabgeordneten vor allem, dass nicht – wie dies etwa die Bundesregierung gefordert hatte – nur Angaben für ein Land als Ganzes gemacht werden müssen. Stattdessen muss jedes Geschäft, für das es einen Vertrag mit einer Regierung gibt, offengelegt werden. Ursprünglich sollte die Transparenzpflicht auch dann nicht gelten, wenn ein Land diese für illegal erklärt (hat) – diese Ausnahme wurde vom Europaparlament jedoch zu Fall gebracht. „Das wäre eine Einladung an alle Diktatoren gewesen, ein solches Gesetz einzuführen“, argumentiert Brantner.

Die deutsche Wirtschaft, obwohl selbst kaum im Rohstoffsektor engagiert, bewertet gerade die projektbezogene Berichtspflicht kritisch. „Da hätten wir uns ein anderes Ergebnis gewünscht“, sagt Matthias Wachter vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die detaillierten Angaben bedeuteten „einen wesentlich höheren bürokratischen Aufwand“. Zudem sei die Definition eines Projekts von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich, die Interpretierbarkeit der Zahlen durch Außenstehende damit zweifelhaft.

An der Umsetzung in den G-8-Ländern hat es bisher gemangelt

Das Europaparlament teilt die Sorge nicht, Europas Wirtschaft gerate deswegen gegenüber der massiv in Afrika auftretenden Konkurrenz aus China ins Hintertreffen. „Das wäre vielleicht noch vor fünf Jahren der Fall gewesen, aber auch in Afrika wächst die Unzufriedenheit mit dem Auftreten der Chinesen.“ Jana Mittermaier von Transparency International verwies darauf, dass zusammen mit den US-Regeln „90 Prozent der weltweit wichtigsten Rohstoffkonzerne abgedeckt“ sind: „Das Gesetz hilft, einen globalen Standard zu schaffen. Die Staats- und Regierungschefs der EU müssen nun ihre Counterparts im Kreis der G 8 and G 20 überzeugen, ähnliche Gesetze zu verabschieden.“

Die G 8 habe sich schon vor Jahren zu den Kriterien der sogenannten Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) bekannt, an der Umsetzung jedoch hatte es bisher gemangelt. „Das ist eine Priorität unserer G-8-Präsidentschaft“, sagte Jo Swinson, der Wirtschaftsminister Großbritanniens, gestern. „Es ist großartig, dass die EU hier als Vorbild voranschreitet.“