Banken sollen allen Bürgern ein Girokonto anbieten müssen, jedoch nicht gratis. Beim Bankwechsel wird nach dem Willen der EU-Kommission künftig nicht mehr der Kunde in der Pflicht sein.

Brüssel - F

 

reiwillig hat es nicht gut genug funktioniert, jetzt will die EU-Kommission die Banken zu mehr Kundenfreundlichkeit zwingen. Am Mittwoch legte die Brüsseler Behörde ein entsprechendes Gesetzespaket vor. Der Grund ist, dass nur elf Mitgliedstaaten – und das auch nur teilweise – auf einen vor zwei Jahren erfolgten Aufruf zu mehr Transparenz und sozialer Rücksichtnahme reagiert haben. Auch eine Selbstverpflichtung der Bankenbranche kam nicht zustande. „Die Reaktion war enttäuschend“, sagte Binnenmarktkommissar Michel Barnier, „aber wir können die gegenwärtige Situation auch nicht einfach länger hinnehmen.“

Fast 59 Millionen Europäer, die älter sind als 15 Jahre, haben der Kommission zufolge kein Bankkonto, die Hälfte von ihnen hätte gern eines. 2,5 Millionen wiederum ist es aktiv verwehrt worden – am häufigsten, weil der Antragsteller, beispielsweise ein Student, nicht aus dem Land kommt, in dem die Bank ihren Sitz hat. Oft spielt auch eine vorangegangene Kreditgeschichte eine Rolle. Nun will Barnier allen EU-Bürgern das Recht auf ein Basiskonto mit den grundlegendsten Funktion einräumen: Überweisungen tätigen, mit EC-Karte bezahlen, am Automaten abheben, online darauf zugreifen. „Ohne Konto kann man nicht richtig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen“, sagte der Franzose.

Große Unterschiede bei der Versorgung mit Konten

Die Zahlen sind europaweit sehr unterschiedlich: Während beispielsweise in Osteuropa oder auch Italien und Portugal der Anteil der Nicht-Konto-Besitzer im zweistelligen Prozentbereich liegt, sind es in Skandinavien null oder ein Prozent. Für die Bundesrepublik werden zwei Prozent angegeben. „Nach wie vor ist es auch in Deutschland ein Problem, dass einige Banken Verbrauchern den Zugang zu einem Girokonto verwehren“, heißt es beim Bundesverbraucherministerium. Die Ressortchefin Ilse Aigner (CSU) begrüßte die Gesetzesinitiative aus Brüssel: „Nicht über ein Girokonto zu verfügen ist für die Betroffenen nicht nur beschämend, sondern in vielen Fällen auch existenzbedrohend.“ Wer heute keine Kontoverbindung vorweisen könne, erhalte oft keinen Miet- oder Arbeitsvertrag. Jürgen Klute, Europaabgeordneter der Linken, begrüßte den Vorschlag ebenfalls, kritisierte aber, dass Barnier keine konkrete Obergrenze setzt, die Banken Basiskontokunden berechnen dürfen. Außerdem sollten alle Geschäftsbanken ein solches Jedermann-Konto anbieten müssen. Der Brüsseler Vorschlag sieht nur vor, dass die Mitgliedstaaten mindestens ein Institut benennen müssen.

Allen Bankkunden soll dadurch geholfen werden, dass Licht ins Dunkel der oft unübersichtlichen Gebühren kommt. Wenn der Gesetzesvorschlag vom EU-Ministerrat und dem Europaparlament angenommen wird, muss das Geldinstitut ein EU-weit standardisiertes Informationsblatt mit den Preisen für die 20 gängigsten Kontoaktivitäten bereithalten. Wie hoch ist die Jahresgebühr? Was kostet eine Abhebung am Automat der Konkurrenz? Wird eine Eröffnungsgebühr verlangt? Was berechnet die Bank für eine Überweisung ins Inland, wie viel für eine ins Ausland?

Eine Homepage soll umfassende Transparenz herstellen

In jedem EU-Staat muss mindestens eine Internetseite eingerichtet werden, auf der die Konditionen der verschiedenen Geldhäuser miteinander vergleichbar sind. Kommissar Barnier erhofft sich durch mehr Wettbewerb auch sinkende Preise. Noch wichtiger für den Kunden dürfte sein, dass seine Bank ihm am Ende eines jeden Jahres eine Aufstellung aller abgerechneten Gebühren liefern muss.

Auch ein Wechsel soll künftig einfacher funktionieren. „Bis jetzt muss ein mutiger Mensch sein, wer sein Konto wechseln will“, sagte EU-Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg. So hat eine Untersuchung seiner Behörde kürzlich ergeben, dass nur 19 Prozent aller Versuche, ein Konto mit Lastschriften auf ein neues Institut zu übertragen, erfolgreich sind. In Zukunft soll es nicht mehr der Kunde sein, der alles Notwendige veranlassen muss, sondern die Bank. Sie muss innerhalb von 15 Tagen den problemlosen Wechsel zur Konkurrenz im Inland garantieren. Geht es ins Ausland, hat sie 30 Tage Zeit. Vor allem aber läge das Risiko nach den Brüsseler Plänen dann bei der Bank: Entstehen durch nicht abgebuchte Lastschriften Probleme, muss sie zahlen.