Angela Merkel hat sich mit ihrer Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik selbst ein wenig aus der Isolation geholt und für eine Konsenslösung Zeit bis März gewonnen, kommentiert Christopher Ziedler.

Brüssel - Der große Showdown in der Flüchtlingsfrage ist abgesagt worden, bevor der EU-Gipfel am Donnerstag überhaupt begonnen hatte. Dass sich die Staats- und Regierungschefs nun auf Großbritannien konzentrieren und es erst in vier Wochen zum Schwur in der Asylpolitik kommen dürfte, hat mehrere Gründe: Da ist natürlich die Absage des Vortreffens mit der Türkei, da Premier Ahmet Davutoglu wegen des Anschlags in Ankara lieber zuhause blieb. Gewisse Fortschritte sind zudem in Griechenland zu verzeichnen, wo unter massivem politischem Druck nun mehr Aufnahmezentren entstanden sind und viel mehr Flüchtlinge registriert werden. Dass die Zahlen in den vergangenen Tagen zurückgegangen und ein Nato-Einsatz in der Ägäis zwischen Griechenland und der Türkei kurz bevorsteht, hat ein Übriges getan.

 

Für politische Entspannung oder zumindest eine kurze Verschnaufpause hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gesorgt. Ihre Erklärung, vorerst nicht weiter auf der Verteilung der Flüchtlinge per Quote bestehen und auch noch keine konkreten Zahlenkontingente mit der Türkei vereinbaren zu wollen, kommt einer Vollbremsung gleich. Die kam in den vier osteuropäischen Visegrad-Staaten natürlich bestens an. Deren Grenzschutzkonzept einer „neuen europäischen Verteidigungslinie“ an der mazedonisch-griechischen Grenze und weiteren Kontrollen entlang der Balkanroute steht Merkels Ansatz, mit türkischer Hilfe die EU-Außengrenze zu sichern, weiter diametral entgegen.

Doch die neue Prioritätensetzung in Berlin hat immerhin dazu geführt, dass die Osteuropäer erst in diesem Sinne aktiv werden wollen, wenn Merkels Plan bis März keine Ergebnisse zeitigen sollte, oder von „ergänzenden Maßnahmen“ sprechen. Das ist eine positive Veränderung der Tonlage, mit der das Schlimmste vorerst verhindert worden ist. Insofern ist bei diesem Gipfel wieder ein kleiner Hoffnungsschimmer zu sehen, dass der europäische Solidaritäts- und Kompromissgedanke noch nicht ganz auf den Hund gekommen ist.