EU-Kommissar Günther Oettinger kann die kritischen Fragen Bayerns zu Angela Merkels Flüchtlingspolitik zwar nachvollziehen. Daraus dürfe aber „kein öffentliches Misstrauensvotum“ werden, sagte er der Stuttgarter Zeitung.

Brüssel - Der Brüsseler Kommissar Günther Oettinger warnt vor einer Destabilisierung der Bundesregierung und in dessen Folge auch der EU. „Am Sonntag könnte in Polen ein Regierungswechsel erfolgen, mit einer vermutlich europakritischen Haltung – und Euroskeptiker haben wir ja schon in einigen Ländern“, sagte er am Donnerstag in einem Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung, „da kann man froh sein, dass wir in Italien Renzi und in Deutschland Merkel und Steinmeier haben.“ Gerade deshalb, so das CDU-Mitglied, müsse die Bundesregierung „in der jetzigen Konstellation handlungsfähig bleiben“ und der Streit mit der Schwesterpartei CSU beigelegt werden: „Ich kann Horst Seehofers kritische Fragen gut nachvollziehen, weil Bayern derzeit besonders belastet ist, aber daraus darf kein öffentliches Misstrauensvotum werden.“

 

Kurz vor einem Krisentreffen der Staats- und Regierungschef der Länder entlang der sogenannten „Balkanroute“, zu dem Kommissionschef Jean-Claude Juncker für Sonntag nach Brüssel eingeladen hat, äußerte sich Oettinger zudem zu dessen Zweck: „Dieses Treffen wird die Frage besprechen, wie wir die Hilfe für Flüchtlinge gemeinsam operationell organisieren sollen, wenn wir nicht wollen, dass sie im herannahenden Winter zu Fuß bei Schnee und Eis bis zur österreichischen Grenze nach Klagenfurt laufen.“ EU-Diplomaten berichteten, es gehe neben der konkreten Bereitstellung von Zelten, Decken und Nahrungsmitteln vor allem um einen verbindlichen, regelmäßigen Informationsaustauschs: „Zurzeit kocht jeder sein eigenes Süppchen, ohne zu bedenken, wie sich das auf die Nachbarländer auswirkt.“ In der Kommission hieß es zudem, man plane „operationelle Beschlüsse, die von Montag an greifen können“. Ein Mehr-Punkte-Plan soll verabschiedet werden.

„Mit dem jetzigen EU-Budget geht das aber nicht.“

Eine Rückkehr zu einem geordneten Grenzschutz- und Einreisesystem steht ebenso auf der Tagesordnung des Minigipfels, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen wird. „Dass eine Gruppe Zäune hochzieht und die andere nicht, ist nicht überzeugend“, so Oettinger zur StZ: „Entweder wir schaffen das Dublin-System ab, reformieren es oder setzen es für einige Zeit außer Kraft.“ Vor allem Griechenland müsse viel stärker als bisher geholfen werden, damit es wieder seine Pflichten als Erstaufnahmeland von Flüchtlingen in Europa nachkommen könne, „kofinanziert aus der Gemeinschaftskasse und unterstützt von viel mehr Frontex-Grenzschützern als bisher.“

Günther Oettinger bestätigte indirekt Überlegungen zu einer Art von Flüchtlings-Soli, um die vielen neuen Aufgaben zu bewältigen: „Mit dem jetzigen EU-Budget geht das nicht. Die Frage lautet ganz grundsätzlich, wie wir das finanzieren.“