18 kreative Regionen in Baden-Württemberg erhalten Millionen aus dem EU-Regionalentwicklungsprogramm Leader. Insgesamt können die Aktionsgruppen bis zum Jahr 2020 84 Millionen Euro abrufen.

Stuttgart - Einen „reichen Geldsegen“ hat der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) heute im Stuttgarter Neuen Schloss an die Sieger des EU-Leader-Wettbewerbs verteilen können. Insgesamt 84 Millionen Euro und damit laut Kretschmann „so viel Geld wie noch nie“ erhalten die 18 Aktionsgruppen, allesamt landkreisübergreifende Zusammenschlüsse von Dörfern, für ihre regionalen Entwicklungskonzepte. Mit durchschnittlich vier Millionen Euro kann jede Gruppe rechnen. 50 Millionen Euro davon kommen aus Brüssel – die Förderperiode umfasst die Jahre 2014 bis 2020.

 

Das Programm sei vom Minister für den Ländlichen Raum Alexander Bonde „runderneuert“ worden, erläuterte der Regierungschef. Das Geld gehe dorthin, wo sich besonders viele Menschen für ihre Heimat engagierten. Dies sei keine Alimentierung, sondern ein Zeichen der Wertschätzung. Baden-Württemberg müsse weiterhin im ländlichen Raum stark bleiben. Der Südwesten habe nicht ein, sondern viele Zentren, und eine in Kirchen und Vereinen überaus engagierte Bürgerschaft. Um diese Stärke werde Baden-Württemberg in der ganzen Republik beneidet, auch vom „Dauerwettbewerber Bayern“.

Gestärkt werden sollen durch das neue Leader-Programm insbesondere die Eigenverantwortung und die Bürgerbeteiligung, sagte Minister Bonde (Grüne). Die Projekte seien von Wirtschafts- und Sozialpartnern, von Landkreisen und Kommunen gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung erarbeitet worden. Pluspunkte hätten kreative Ideen solcher Gruppen erhalten. Der Start des Leader-Programms sei ein „kraftvoller Impuls für den ländlichen Raum“, betonte Bonde.

Großes Interesse am EU-Leaderprogramm

„Das ist kein Geschenk. Sie müssen auch etwas dafür tun“, sagte der Ministerpräsident. Daran aber wird es keinen Zweifel geben. Schon bei der Bewerbung haben sich die Aktionsgruppen sehr engagiert. Ein Zeichen dafür, dass sich die Regionen nicht wegduckten vor den Herausforderungen durch den demografischen Wandel, sagte Minister Bonde. Wie begehrt das Leader-Programm ist, zeigt die rege Beteiligung: 30 Regionen aus dem ganzen Land hatten sich dafür interessiert, 25 hatten sich schließlich an dem erstmals als Wettbewerb ausgelobten Programm beteiligt. Beispielsweise nahmen von insgesamt 51 Kommunen im Landkreis Ortenau 35 Gemeinden teil – in gleich drei Aktionsgruppen „Mittelbaden“, „Mittlerer Schwarzwald“ und „Ortenau“ mit höchst unterschiedlichen Projekten. Für die Aktionsgruppe Mittlerer Schwarzwald etwa wird ein Projekt ganz spannend: In Zell am Harmersbach soll ein Besucher-, Begegnungs- und Kulturzentrum entstehen – in einem ehemaligen Porzellanbrennofen, der mit einem Durchmesser von gut zehn Metern über vier Etagen der größte in Deutschland ist. Die Gruppe Ortenau will das Projekt „Museumsscheune“ in der Gemeinde Berghaupten fördern, um die Besonderheiten der Dorfgeschichte und der Bergwerksanlage zu erhalten und um eine touristische Attraktion sowie Spiel- und Unterrichtsräume im Freien für Kindergarten und Grundschule zu schaffen. Dass die Förderkulisse Mittelbaden zu den Siegern zählt, ist laut dem ebenfalls beteiligten Rastätter Landrat Jürgen Bäuerle auch ein Verdienst der „vorbildlichen Bürgerbeteiligung“, bei der mehr als 200 Menschen, darunter viele Jugendliche, mehr als 60 Ideen entwickelt haben. Auch die Aktionsgruppe „Schwäbischer Wald“ mit insgesamt 28 Gemeinden aus den Landkreisen Heilbronn, Schwäbisch Hall, Ostalb und Rems-Murr hat laut dem Waiblinger Landrat Johannes Fuchs „viel Zeit und Energie“ in den Beteiligungsprozess gesteckt.

Landrat Thomas Reumann, der mit 16 Gemeinden aus dem Kreis Reutlingen sowie vier Gemeinden aus den Nachbarkreisen Alb-Donau, Esslingen und Sigmaringen die Aktionsgruppe „Mittlere Alb“ bildet, will die „tolle Förderchance“ über das EU-Programm nutzen als „ideale Ergänzung“ für das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Dieses könne nun mit Leader durch „wichtige Projekte der sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit“ abgerundet werden. Dazu zählt etwa das „Erlebnisfeld Heidengraben“ in den Gemeinden Grabenstetten, Hülben und Erkenbrechtsweiler, das das Potenzial des ehemals größten keltischen Oppidums in Europa touristisch besser erschließen soll.

Trostpflaster für die sieben Verlierer

Die sieben Bewerber, die nicht zum Zuge kamen – Hohenlohe-Heilbronn, Zollernalb, Donaubergland, Stauferland, Rheinknie, Bodensee sowie Südbaar – werden wohl nicht ganz leer ausgehen, kündigte Bonde an. Es werde nach Möglichkeiten gesucht, im Rahmen des Programms Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE) Teile der ebenfalls „sehr guten“ Konzepte umzusetzen, „die einer ganzen Region nutzen – vom Rad- und Wanderweg bis zu gemeinschaftlich genutzten Infrastruktureinrichtungen“. Unterstützung sollen Regionalmanager leisten, die von Bund und Land bis zu sieben Jahre lang finanziert werden.