Der britische Premier steuert auf eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft zu und präsentiert Brüssel vorab eine Wunschliste. Mit seiner Politik gefährdet Cameron den Zusammenhalt der EU und des eigenen Landes, kommentiert Peter Nonnenmacher.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - David Cameron will den Anschluss an Europa nicht verlieren. „Emotionale Bindungen“ an die EU empfindet er zwar nicht, aber er kann kommerzielle und politische Vorteile sehen. Am liebsten würde sich der britische Premier beim kommenden EU-Referendum auf die Seite der EU-Befürworter schlagen. Doch so einfach ist das nicht, denn „im nationalen Interesse“ liegt, so Cameron, eine britische EU-Mitgliedschaft nur in einer „reformierten EU“. Den entsprechenden „fundamentalen Wandel“, so hat er seinen Landsleuten und vor allem seinen euroskeptischen Parteigängern versprochen, werde er der EU abzwingen.

 

Gehen die EU-Partner auf seine Forderungen ein (was sein Kalkül ist), will er sich „mit Herz und Seele“ für die „neue EU“ einsetzen. Sollte sich der Kontinent aber „taub“ stellen, warnt der Premierminister, habe er keine andere Wahl, als Großbritannien aus der EU zu führen. Offensichtlich glaubt und hofft Cameron, dass ihm das erspart bleibt. Schon weil ein Nein zur EU unvorhersehbare Folgen haben könnte. Es könnte zum Beispiel die Schotten neu zur Unabhängigkeit animieren – und zum Auseinanderbrechen des Königreichs führen. Die Regierungsstrategen in London haben darum Forderungen formuliert, die sie nicht für überzogen halten. „Vollkommen annehmbar“ nennt Cameron seinen Forderungskatalog. In Wirklichkeit habe sich der Regierungschef der Zustimmung der EU-Partner vorab schon versichert, argwöhnen britische EU-Gegner. Das Ganze sei nichts als ein abgekartetes Spiel.

Zurückhaltung bei einigen EU-Partnern

Dennoch wagt Cameron allerhand. Nicht alle EU-Nationen sind ihm gewogen. Manche sehen EU-Prinzipien in Gefahr. Andere bemängeln, dass ihnen von London in den letzten Jahren nicht viel Solidarität zuteil wurde. Eine Herausforderung wie diese, just zum Zeitpunkt des Migrationsdramas und einer anhaltenden Eurokrise, unterstreicht für viele nur britische Insularität und Selbstbezogenheit. So kann sich der Briten-Premier nicht absolut sicher sein, wie weit ihm seine Partner entgegenkommen werden. Fällt seine „neue EU“ zu dürftig aus, muss er sich daheim auf harsche Reaktionen gefasst machen.

Schlingerkurs des Premierministers

In seiner Partei gärt es bereits. Auch Camerons Kabinett könnte sich spalten. Einzelne Minister warten nur darauf, dass die Verhandlungen enttäuschend verlaufen. Zuzuschreiben hat sich Cameron diese Unwägbarkeiten selbst. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er eine Volksabstimmung noch ausgeschlossen. Damals hatte er seine Partei aufgefordert, nicht immerfort „auf dem Thema Europa herumzureiten“. Aus Angst vor seiner Parteirechten und vor dem Aufkommen der Unabhängigkeitspartei Ukip willigte er aber wenig später doch in ein Referendum ein. Und danach verpflichtete er sich auch noch zu einer Generalüberholung der EU-Strukturen.

Was David Cameron einmal vorschwebte, ist leicht nachzuvollziehen. Was er geschaffen hat, ist eine brisante Situation.