Die EU verlangt, dass Terroristen kein Gehalt gezahlt werden darf. Wie Unternehmen Terroristen aufspüren sollen, ist jedoch ungeklärt. Daimler beispielsweise gleicht regelmäßig seine Mitarbeiterdaten mit Sanktionslisten ab.

Stuttgart - Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York wurden auf europäischer Ebene Verordnungen zur Bekämpfung des Terrorismus erlassen, die sich auch auf die Unternehmen auswirken. Diese Verordnungen sind auch in Deutschland unmittelbar geltendes Recht. Industriefirmen und Dienstleister müssen ebenso wie Banken sicherstellen, dass kein Geld an Terroristen fließt, auch nicht als Gehalt. Bewusste Verstöße werden nach dem Außenwirtschaftsgesetz als Straftat gewertet. Es drohen bis zu fünf Jahren Gefängnis. Bei Fahrlässigkeit kann eine Haftstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden.

 

Die IHK fordert eine klare Regelung

Die EU-Verordnungen haben aber einen großen Haken. Es wurden zwar lange Namenslisten veröffentlicht; die Verordnungen lassen aber offen, wie dieses Aufspüren von Terroristen erfolgen soll. Diese Regelungslücke sorgt in der Wirtschaft für Verdruss. „Die Unternehmen werden allein gelassen“, kritisiert Andreas Richter, der Hauptgeschäftsführer der Stuttgarter Industrie- und Handelskammer (IHK). Es sei höchste Zeit, dass eine klare Regelung geschaffen werde, sagt Richter.

Genau dieser Meinung ist auch Matthias Pätzold, der Geschäftsführer der Rausoft GmbH. Das Leonberger Unternehmen verkauft eine Software, mit der Unternehmen die Namen ihrer Mitarbeiter mit den Sanktionslisten abgleichen können. Die Software nutzen laut Pätzold mehr als 600 Firmen aus vielen Branchen. Wie schwierig dieser Abgleich in der Praxis ist, verdeutlicht Pätzold daran, dass die oft arabischen Namen unterschiedlich in lateinische Buchstaben transkribiert werden können. Zudem gibt es bisweilen mehrere Geburtsdaten oder es fehlt manchmal in der Liste ein Aufenthaltsort.

Auf solche Unschärfen weist auch Alexander Raif in seiner 2010 erstellten Dissertation hin. So werde beispielsweise die gleiche Person gelistet als: „Mohamed, Khalid Shaikh (alias Ali, Salem; alias Bin Khalid, Fahd Bin Abdallah; alias Henin, Ashraf Refaat Nabith; alias Wadood; Khalid Abdul) . . .“ Raif schreibt dazu in seiner Dissertation: „Die sich kontinuierlich ändernden und sehr allgemein gehaltenen Namenslisten bereiten Arbeitgebern erfahrungsgemäß große Probleme.“

BMW überprüft selbst keine Namenslisten

Statistische Erhebungen, wie welche Unternehmen die Vorschrift der EU erfüllt, sind nicht bekannt. Rausoft-Geschäftsführer Pätzold schätzt, dass nur etwa 30 Prozent der deutschen Firmen überhaupt einen Abgleich durchführen.

Viele Unternehmen geben auf Anfrage nur vage Antworten. „Prüfungen von personenbezogenen Mitarbeiterinformationen werden vorgenommen, wenn sie rechtlich erforderlich sind. Dabei legt das Unternehmen Wert auf datenschutzrechtliche Aspekte,“ teilt ein Bosch-Sprecher mit. Aber wie genau? Bosch äußere sich „prinzipiell nicht zu sicherheitsrelevanten Angelegenheiten, die unsere Mitarbeiter und das Unternehmen betreffen“, sagt der Sprecher. BMW überprüft selbst keine Namenslisten, weil dazu schon die Banken verpflichtet sind, die das Gehalt auszahlen. Damit liegen die Bayern auf einer Linie mit den Forderungen der deutschen Datenschützer.

Bei Daimler dagegen gilt seit Dezember eine Betriebsvereinbarung, wonach alle drei Monate Namen, Geburtsdaten und Privatadressen von Mitarbeitern mit Sanktionslisten abgeglichen werden. Kommt es zu einem Treffer, setzt ein zweistufiger Prozess ein. Zunächst wird anhand der weiteren im Unternehmen verfügbaren Daten geprüft, ob der Beschäftigte wirklich mit der gelisteten Person identisch ist.

Beim Treffer wird das Gehalt gesperrt

Ist dies der Fall, werden der Personalleiter, der Betriebsratsvorsitzende und die zuständige Behörde informiert. Der Beschäftigte wird informiert, kann Stellung nehmen und eine Person seines Vertrauens hinzuziehen. Der Beschäftigte wird freigestellt, das Gehalt wird auf einem Treuhandkonto gesperrt.

Zugleich wird der Beschäftigte informiert, wie er den schwierigen Prozess einleiten kann, seinen Namen bei einem Versehen von der Liste löschen zu lassen und wie er für die Dauer dieses Verfahrens zumindest Geld für seine dringendsten Grundbedürfnisse bekommen kann. Falls jemand zu Unrecht auf die Sanktionsliste kam, soll der Mitarbeiter laut Vereinbarung zumindest in der Abteilung rehabilitiert werden, indem der Vorgesetzte vor versammelter Mannschaft klarstellt, dass es ein Fehler war. Bei allen Maßnahmen und Untersuchungen sollen die Informations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eingehalten werden.