Die Präsidenten der fünf deutschen Bundesgerichte waren sich mit dem Bundesverfassungsgericht einig: die Preisbindung bei Medikamenten ist in Ordnung, auch für Versandapotheken aus dem Ausland. Nur der EuGH sieht das nun völlig anders. Das gleicht einer Kriegserklärung.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Der gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist ein nicht all zu bekanntes Gremium, das nur sehr selten zusammenkommt. Immer dann, wenn ein Bundesgericht von der Entscheidung eines anderen abweicht. Die fünf Vorsitzenden der Bundesgerichte beratschlagen dann zusammen, mehr Rechtskompetenz ist in Deutschland nur selten in einem Raum versammelt. Zum bisher letzten Mal haben die Richter im August 2012 eine Entscheidung gefällt: Die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis gelten auch für Versandapotheken aus dem Ausland, hieß es vor gut vier Jahren. Das ist nun Geschichte.

 

Wenn der Europäische Gerichtshof in Luxemburg jetzt eine komplett gegenteiligen Rechtsauffassung vertritt, so kann das schon als eine Art Kriegserklärung gegen die gesamte deutsche Justiz gewertet werden. Zumal das Bundesverfassungsgericht – dessen Richter im Gemeinsamen Senat nicht vertreten sind – den Beschluss ihrer Bundesrichterkollegen ausdrücklich gut geheißen haben. Im vergangenen November erklärten die Verfassungsrichter die Entscheidung für vereinbar mit dem Recht der Europäischen Union. Dabei ist besonders beachtlich, dass der Gemeinsame Senat deutlich gemacht hatte, er sehe keinen Grund, den EuGH anzurufen.

Vorlage aus der Altbiermetropole

Das hat dafür das Oberlandesgericht in Düsseldorf getan. Bei ihm war das Verfahren zwischen der niederländischen Versandapotheke Doc Morris und der deutschen Wettbewerbszentrale gelandet. Diese hatte dagegen geklagt, dass Mitglieder der deutschen Parkinsongesellschaft bei den Niederländern einen Extrabonus in Höhe von 0,5 Prozent des Warenwertes bekamen, wenn sie verschreibungspflichtige Medikamente bestellen. Das Landgericht Düsseldorf als Vorinstanz hatte den Wettbewerbshütern bereits Recht gegeben, das OLG wollte vor einem eigenen Urteil die Meinung der Europarichter hören – und legte den Fall in Luxemburg vor. Generalanwalt Maciejj Szpunar dankte den Düsseldorfern ausdrücklich dafür, als er im Juli sein Gutachten präsentierte. Ohne das OLG aus der Altbierstadt sei der Fall niemals in Luxemburg gelandet, so der Pole.

Die Richter folgten in ihrer Begründung am Mittwoch weitgehend dem Gutachten des Generalanwaltes. Anders als der Gemeinsame Senat, der am Maßstab des Arzneimittelgesetzes prüfte, stellten die Europarichter nun das Recht auf freien Warenverkehrs in den Vordergrund. Das ist ein Grundpfeiler des europäischen Binnenmarktes. Der Versandhandel sei für ausländische Apotheken das einzige Mittel, um Zugang zum deutschen Markt zu bekommen, so die Richter. Ein Rabattverbot könne Anbietern aus anderen EU-Ländern den Zugang zum deutschen Markt erschweren, begründete das Gericht die Entscheidung.

Richter verkehren Apotheker-Argumente ins Gegenteil

Ähnlich wie bei der Buchpreisbindung, die dem Buch als Kulturgut eine Sonderstellung zukomme lässt und ein vielfältiges Buchangebot sichern soll, sehen die Europarichter auch bei Medikamenten eine Beschränkung des freien Warenverkehrs für möglich an. Zum Schutz von Gesundheit und Leben sei dies gerechtfertigt. Allerdings halten die Richter eine Preisbindung ausdrücklich nicht für ein geeignetes Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Nachdem Vertreter der Apothekerverbände in Luxemburg ihre Argumentation für einen Beibehalt der bisherigen Regeln vorgetragen hatten, kommen die Europarichter nun zu einem höchst gegenteiligen Schluss: „Die eingereichten Unterlagen legen nahe, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln fördern würde“.