Kommt es zu einer Einigung zwischen den Geldgebern und der griechischen Regierung in letzter Minute? Kanzlerin Merkel dämpfte die Hoffnungen. Varoufakis kündigte derweil an, vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen, sollte Griechenland aus dem Euro gedrängt werden.

Athen - Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat sein politisches Schicksal mit dem Ausgang des Referendums über die Vorschläge der Geldgeber verknüpft. Er sei kein Ministerpräsident, der unter allen Umständen im Amt bleibe, sagte Tsipras am Montagabend in einem Fernsehinterview auf die Frage nach seiner Reaktion im Fall eines „Ja“-Siegs am Sonntag. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bot Athen unterdessen eine „Einigung in letzter Minute“ an. Merkel dämpfte die Erwartungen.

 

Tsipras äußerte im Interview mit dem Sender ERT die Hoffnung, nach dem Referendum an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Sein Ziel sei es, durch das Referendum „besser gewappnet für die Fortsetzung der Verhandlungen zu sein“. Er werde die Entscheidung des Volkes akzeptieren, versicherte er. Zugleich deutete er mit seiner Äußerung einen Rücktritt an, sollten sich die Wähler für die Annahme der Vorschläge der internationalen Geldgeber aussprechen.

Einigung in letzter Minute

Tsipras hatte am Samstag überraschend ein Referendum über die Vorschläge der Gläubiger angekündigt und die Bevölkerung aufgerufen, mit „Nein“ zu stimmen. Mit der Ankündigung stieß er seine Partner in der Eurozone vor den Kopf, die daraufhin die Verhandlungen abbrachen. Ihr jüngstes Angebot, über das die Griechen am Sonntag abstimmen sollen, ist damit de facto nicht länger gültig. Kommissionspräsident Juncker sagte am Montag, er fühle sich von Tsipras „verraten“.

Juncker schlug Tsipras in einem Telefonat am Montagabend aber eine „Einigung in letzter Minute“ vor. Ein Kommissionssprecher sagte am Dienstag, Juncker habe gesagt, eine Übereinkunft sei weiterhin möglich, wenn sich Tsipras verpflichte, die Vorschläge der Gläubiger anzunehmen und bei der Volksabstimmung für ein „Ja“ zu werben. Danach könnten die Euro-Finanzminister, ihre Entscheidung „überdenken“, das Hilfsprogramm für Griechenland auslaufen zu lassen.

Gesprächsangebot bleibt

Bundeskanzlerin Angela Merkel dämpfte allerdings die Hoffnungen auf eine „Last-Minute-Einigung“ mit der griechischen Regierung. Das zweite Programm laufe um Mitternacht aus, so Merkel am Dienstag in Berlin. „Ich kenne keine belastbaren anderen Hinweise“, sagte sie auf die Frage, wie sie Gesprächsbemühungen der EU-Kommission mit Athen am Dienstag einschätze. „Alles was ich weiß, ist, dass das letzte Angebot der Kommission, das mir bekannt ist, eines vom Freitag letzter Woche ist. Mehr kann ich nicht beisteuern.“

Merkel betonte, dass es aber weiter beim Angebot von Gesprächen mit Athen bleibe: „Natürlich“ würden nach Mitternacht nicht die Gesprächsfäden gekappt, das sei in der EU nicht üblich. „Das heißt, die Tür steht offen für Gesprächsfäden.“

Das Hilfsprogramm endet am Dienstag. Zudem muss Athen bis um Mitternacht 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlen. Tsipras sagte jedoch in dem ERT-Interview am Montagabend, dies sei unter den aktuellen Umständen unmöglich. „Ist es möglich, dass die Kreditgeber darauf warten, dass der IWF bezahlt wird, während unsere Banken erstickt werden?“, fragte Tsipras. „Sobald sie aufhören, uns zu ersticken, werden sie bezahlt.“

Sein Finanzminister Giannis Varoufakis bestätigte am Dienstag, dass das Geld nicht gezahlt werde. Zahlt Athen nicht bis Mitternacht, kann der IWF Griechenland für zahlungsunfähig erklären. Die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte Griechenlands Kreditwürdigkeit am Montag bereits von CCC auf CCC- herab, was einer Stufe vor dem kompletten Zahlungsausfall entspricht. Die Wahrscheinlichkeit eines Grexit bezifferte S&P mit 50 Prozent.

Klage vor dem Gerichtshof

Varoufakis kündigte in der britischen Zeitung „The Daily Telegraph“ an, vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen, sollten die Europartner Griechenland aus der Währungsunion drängen. Griechenlands Euro-Mitgliedschaft sei „nicht verhandelbar“. Ein Austritt aus dem Euro ist eigentlich nicht vorgesehen. Die Regierungen Portugals und Italiens äußerten sich zuversichtlich, dass ihre Länder gewappnet seien, sollte es doch zu einem Grexit kommen.

Den griechischen Banken geht bereits das Geld aus. Um einen Zusammenbruch des Bankensektors zu verhindern, traten am Montag Kapitalverkehrskontrollen in Kraft. Die Banken wurden für eine Woche geschlossen, Barabhebungen für Griechen auf 60 Euro pro Tag beschränkt. Von Mittwoch an sollen allerdings Rentner drei Tage lang am Schalter Bargeld erhalten können. Viele Rentner haben keine EC-Karte.