Lieber mehr arbeiten und weniger repräsentieren. Auf diese kurze Formel lässt sich die Entscheidung des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger bringen. Der hat die Entscheidung verteidigt, den Posten eines Vizepräsidenten in der neuen EU-Kommission abzulehnen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hat die Entscheidung verteidigt, den Posten eines Vizepräsidenten in der neuen EU-Kommission abzulehnen. „Es war eine Vorentscheidung: Vize ohne Geschäftsbereich oder Geschäftsbereich und kein Vize“, sagte Oettinger am Montag vor der CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. „Mir ist es lieber, ich habe ein klares Aufgabengebiet und ich habe fünf Jahre Zeit, die Europäisierung der digitalen Politik voranzubringen“, sagte Oettinger. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat den CDU-Politiker mit dem Bereich Digitales betraut. Oettinger verwies darauf, dass die Digitalisierung derzeit eine zentrale Herausforderung für die gesamte Industrie sei. „Wir liegen derzeit gegen Amerika hinten und müssen aufholen.“ Über die Entscheidung Oettingers, den Posten eines Juncker-Stellvertreters auszuschlagen, hatte es zuvor Debatten gegeben. In Brüssel ist umstritten, wer letztlich einflussreicher sein wird: Die Vizepräsidenten ohne eigene Generaldirektion und Ressort, die die andere Kommissare nach dem Willen von Juncker koordinieren sollen - oder aber die Fach-Kommissare mit direktem Zugriff auf die mächtigen Generaldirektionen, also die Brüsseler Behörde.

 

Oettinger will keine Zeit verlieren

Oettinger stürzt sich auch schon in seine Arbeit. Er fordert von der Bundesregierung mehr Entschlossenheit bei der Digitalisierung. „Wir müssen die Geschwindigkeit unseres Handelns deutlich erhöhen“, sagte Oettinger. Die Digitalisierung müsse ein Top-Thema werden in Deutschland und Europa. Die Revolution vollziehe sich schneller, als viele Akteure in Politik und Wirtschaft es wahrhaben wollten, mahnte der CDU-Politiker. Industrie 4.0 dürfe kein bloßes Schlagwort bleiben. Wenn die deutsche Wirtschaft ihr großes Potenzial nutze, könne sie zum Motor des digitalen Fortschritts in Europa werden.

Was ist digitale Wirtschaft?

Da offensichtlich nicht allen auf Anhieb klar war, wofür ein EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständig ist, formulierte der künftige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Oettingers Aufgaben in einem Brief zur Funktionsbeschreibung („Mission Letter“). Dort ist zu lesen: ein wichtiger Arbeitsbereich sei der Abbau nationaler Schranken, beispielsweise in der Telekommunikation. Es sei sicherzustellen, dass Telefonieren und Surfen mit Smartphones europaweit ohne Extrakosten (Roaming-Gebühren) möglich sei. Zudem solle Oettinger Urheberrechtsvorschriften modernisieren, Medien bei der Suche nach neuen Nutzern helfen, Start-ups das Leben erleichtern und für mehr Online-Sicherheit in Europa sorgen.