Die Berufung des Ungarn Tibor Navracsics als EU-Kommissar stößt auf Kritik. Nun formuliert auch der Deutsche Kulturrat massive Bedenken gegen die Benennung des Politikers zum neuen EU-Kommissar für Bildung, Jugend, Kultur und Bürgergesellschaft. Er habe in seiner Heimat Bürgerrechte beschränkt und die Pressefreiheit beschnitten.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Der Deutsche Kulturrat hat massive Bedenken gegen die Benennung des Ungarn Tibor Navracsics zum neuen EU-Kommissar für Bildung, Jugend, Kultur und Bürgergesellschaft. „Ich hoffe, dass man das noch verhindern kann“, sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann am Wochenende im Deutschlandradio Kultur zur Entscheidung des designierten EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, Navracsics dieses Amt zuzuteilen. „Ein Mann, der gerade die Bürgerrechte beschränkt, der die Pressefreiheit eingeschränkt hat, der den Justizapparat in Ungarn so umgebaut hat, dass man sich wirklich fragen kann, ob es immer noch mit demokratischen Grundregeln zugeht, der soll jetzt für diese Bereiche in der Kommission verantwortlich sein?“, begründete Zimmermann die Ablehnung des Spitzenverbands der Bundeskulturverbände gegenüber der Nachrichtenagentur KNA. Er hoffe, dass bei der noch bevorstehenden Anhörung der Kandidaten im Europaparlament sehr kritisch nachgefragt werde.

 

Wachsender Widerstand ist programmiert

Vor dem Hintergrund, dass das EU-Parlament nur die gesamte Kommission ablehnen, nicht aber über einzelne Kommissare abstimmen kann, setze er darauf, dass Juncker sich durch den wachsenden Widerstand gezwungen sehe, seinen Vorschlag zu überdenken und die Personalie Navracsics zurückzuziehen, sagte Zimmermann. Empört zeigte sich der Geschäftsführer darüber, dass der Kulturbereich offenbar als „so unwichtig für die Kommission“ angesehen werde, „dass man jemanden dafür benennen möchte, bei dem man weiß, dass er das nicht kann und sich gerade einen Namen gemacht hat, dass er in diesem Bereich mit dem Holzhammer vorgegangen ist.“ Darauf zu setzten, dass Navracsics sich auf EU-Ebene liberaler verhalten werde, dieses „Risiko ist für ganz Europa viel zu groß“.

Da Navracsics auch von vielen Abgeordneten skeptisch gesehen wird, dürfte seine Anhörung vor dem Parlament neben der des Briten Hill und des Franzosen Moscovici zu den spannenderen gehören. So zeigten sich die Sozialisten im Europaparlament „besorgt“ über die geplante Besetzung. Ihr Fraktionsvorsitzender, der Italiener Gianni Pitella, kündigte an, die S&D-Abgeordneten würden in den Anhörungen „sehr genau hinhören“ und nur Kandidaten unterstützen, die gewillt sind, „die fundamentalen Werte der Europäischen Union zu vertreten.“

Die Zustimmung des Parlaments ist nicht sicher

Und um deutlich zu machen, auf wen sich diese Forderung vor allem bezog, schob Pitella hinterher: „Tibor Navracsics ist gewarnt.“ Pitellas Vize, der Österreicher Jörg Leichtfried, erklärte gar, im Falle Navracsics’ sei „eine Zustimmung infrage zu stellen“.

Auch die Grünen-Vorsitzenden Rebecca Harms und Philippe Lamberts äußerten „Zweifel an der Geeignetheit von Tibor Navracsics“ und bezogen sich dabei insbesondere auf dessen Zuständigkeit für den Bereich Bürgerschaft. Denn das von der Kommission beaufsichtigte EU-Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ soll unter anderem die Zugehörigkeit zu gemeinsamen europäischen Werten fördern.