Am Sonntag hat der VfB-Gegner Dynamo Moskau das fünfte von fünf Saisonspielen in der russischen Liga verloren. Und auch für den Ex-VfBler Kevin Kuranyi läuft es alles andere als rund. Ausgerechnet in Stuttgart hofft der Stürmer auf die Kehrtwende.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Man kann keineswegs behaupten, Kevin Kuranyi habe derzeit beruflich einen guten Lauf: Am Sonntag ging auch das fünfte von fünf Saisonspielen seines Clubs Dynamo Moskau in der russischen Liga verloren – und zwar mit 1:2 gegen Terek Grosny, wobei sich die Blau-Weißen immerhin über ihren ersten Saisontreffer freuen konnten.

 

Zu allem Überfluss flog der Stürmer, der am Mittwoch im Hinspiel der Play-offs zur Gruppenphase der Europa League beim VfB Stuttgart antritt (Anpfiff ist um 18.15 Uhr), in der Nachspielzeit nach einem harmlosen Kopfballzweikampf mit Gelb-Rot vom Platz. „Ich bin wegen eines Allerweltsfouls rausgeflogen. Unser Saisonstart ist ein Albtraum, wir befinden uns in einer Abwärtsspirale“, klagt Kevin Kuranyi und so langsam versteht er die Fußballwelt nicht mehr. Schließlich ist der in Rio de Janeiro geborene Profi, der als 16-Jähriger in die VfB-Jugend kam und bis 2005 für den Club im Einsatz war, ein äußerst fairer Spieler. In 261 Bundesligapartien für die Stuttgarter und den FC Schalke, für den er bis Juni 2010 kickte, hat Kevin Kuranyi nicht eine Rote Karte gesehen.

Ein bisschen Heimatluft schnuppern

Vielleicht wird es dem 30-Jährigen daher guttun, von heute an, wenn sein Team auf dem Flughafen Echterdingen erwartet wird, wieder ein bisschen Heimatluft zu schnuppern. Auch wenn Kuranyi sagt, „dass wir ja nicht zu einem Betriebsausflug herkommen, sondern um in die Gruppenphase der Europa League einzuziehen. Für einen Familienbesuch bleibt da keine Zeit. Aus jedem Albtraum wacht man mal auf – wir hoffentlich am Mittwoch beim VfB.“

Dass wenig Zeit für Privates bleibt, macht ohnehin nicht viel aus, schließlich sind Kuranyi, seine Frau Viktorija, die gut Russisch spricht, sowie die Kinder Karlo und Vivien oft bei Vater Kont in Stuttgart-Sonnenberg. „Klar ist, dass wir später wieder hier leben. Stuttgart ist unser Zuhause“, sagt Kuranyi, dessen Freunde und Familie morgen auf der Tribüne sitzen werden („Das spornt mich an“). Die vollständige Rückkehr nach Stuttgart wird aber noch ein bisschen andauern. Bis 2015 läuft der neue, vorzeitig verlängerte Vertrag des Ex-Nationalstürmers, der für Deutschland 52 Länderspiele absolviert hatte, ehe 2008 der jähe Bruch mit dem Bundestrainer Joachim Löw erfolgte, als der auf die Tribüne beorderte Kuranyi zur Halbzeit des Länderspiels gegen Russland einfach nach Hause ging.

Über die Nationalelf redet er nicht mehr

Inzwischen redet der Stürmer nicht mehr über die Nationalelf: „Da ist alles gesagt.“ Zumal es für den dreifachen deutschen Vizemeister (2003 mit dem VfB, 2007 und 2010 mit Schalke) in Moskau in den ersten beiden Spielzeiten sehr gut lief. Kuranyi schoss bisher 22 Tore in 57 Partien – und besticht dabei vor allem durch seine Beständigkeit: Seit zehn Jahren hat der 1,90-Meter-Mann, der in Russland mit kolportierten 4,8 Millionen Euro Nettogehalt zu den absoluten Spitzenverdienern zählt, inzwischen in jeder Saison eine zweistellige Zahl an Erstligatoren erzielt.

Dementsprechend zufrieden ist man mit „KK“ bisher gewesen in Moskau, wo es für den Stürmer auch außerhalb des Platzes viel Neues zu entdecken gab. „Was habe ich nicht alles gehört: von Bären auf der Straße und Dauerkälte bei minus 40 Grad“, erzählt Kuranyi, der inzwischen mit Frau und Kindern in einer internationalen Kolonie im Norden der Stadt lebt. Zur Siedlung der Deutschen wäre es einmal quer durch die Metropole Moskau. Das kam für Kevin Kuranyi schnell nicht mehr infrage, nachdem er seine ersten Erfahrungen mit dem Moskauer Verkehr gemacht hatte. „Wenn du zur falschen Zeit am falschen Ort bist“, sagt Kuranyi, „dann kannst du schnell mal den halben Tag im Auto verbringen.“

Sportlich soll es nun unter der Führung des neuen Trainers Dan Petrescu aufwärtsgehen mit Dynamo, bei dem der Ex-Wolfsburger Zvjezdan Misimovic im Mittelfeld die Fäden zieht und mit dem ehemaligen KGB-Agenten Genadi Solowjow ein neuer Präsident das Ruder übernommen hat. Für den Rumänen Petrescu, der gestern seinen ersten Arbeitstag bei Dynamo hatte, wäre ein Erfolg in Stuttgart ein Einstand nach Maß beim Tabellenletzten der russischen Premjer-Liga. „Wir haben die Qualität, um gegen den VfB zu bestehen“, sagt Kuranyi, dessen Sturmpartner Andrej Woronin, 33, nach einem Streit nach Düsseldorf ausgeliehen wurde, „die Chancen stehen 50:50.“