Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Um „Licht ins Dunkel der Nutznießer“ des löchrigen Kontrollsystems zu bringen, empfahl die Europaabgeordnete, solle das tschechische Parlament einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Doch das Interesse an einer kritischen Aufarbeitung vergangener Fehler scheint in Prag eher verhalten zu sein, vor allem in der Zukunft will man es besser machen. Die Pläne für eine bessere Auftragsvergabe und einen Kodex für die Verwaltung, reagierte Gräßle kühl, habe man „zur Kenntnis genommen“; was sie bewirkten, bleibe abzuwarten.

 

Für einen Kritikpunkt aber bekam sie Zuspruch von höchster Stelle. Ausgerechnet der Garant für die ordnungsgemäße Verwendung der EU-Mittel, Finanzminister Andrej Babis, befinde sich in einem handfesten Interessenkonflikt. Der Milliardär ist einer der reichsten Tschechen, bei den letzten Wahlen punktete er als Nichtpolitiker gegenüber der zunehmend verachteten Politikerkaste, seine neu gegründete Partei Ano (Ja) wurde aus dem Stand zweistärkste Kraft. Babis’ Unternehmensgruppe Agrofert freilich gehört laut Gräßle zu den größten Empfängern von EU-Mitteln im Land, zuletzt erhielt sie 2,6 Millionen Euro. Wie solle er da unbefangen über die Verwendung der Gelder wachen? Das sehe sie „mit großer Sorge“. Ihre Forderung bei der abschließenden Pressekonferenz: Babis müsse sich unbedingt klarer von seinem Firmenimperium abgrenzen.

Die Wogen glätten sich

Der Gerügte reagierte ungerührt: Er müsse sich vor seinen Wählern verantworten, nicht vor einer Frau Gräßle. Der sozialdemokratische Regierungschef Bohuslav Sobotka aber griff die Vorlage der EU-Abgeordneten dankbar auf. Sein Finanzminister müsse sich entscheiden, ob er Politiker oder Unternehmer sein wolle, beides zugleich gehe nicht; am besten beende er seine unternehmerische Tätigkeit. Er sei gar kein Unternehmer mehr, nur noch Eigentümer, konterte Babis erbost; die Geschäftsführung habe er bekanntlich abgegeben. Sobotka könne ihn ja abberufen und sich einen anderen Koalitionspartner suchen, verblieb er spöttisch – wohl wissend, dass es der Premier so weit nicht kommen lassen würde. Doch das Klima im Regierungsbündnis war wieder mal vergiftet.

Nach Gräßles Besuch dürften sich diese Wogen bald wieder glätten. Die EU-Abgeordnete will indes nicht lockerlassen, sondern in Prag weiter nachbohren. Rückendeckung bekommt sie dabei von einem baden-württembergischen Kollegen: dem Horber FDP-Abgeordneten Michael Theurer, der Vorsitzender des Haushaltskontrollausschusses ist. Im Nachgang zu der Delegation werde man „einen Fragenkatalog an die tschechische Regierung schicken“, kündigte Theurer an; das habe das Gremium gerade entschieden. Für den Liberalen zeigen „die Vorgänge in der Tschechischen Republik Handlungsbedarf“ – und zudem etwas Grundsätzliches: Die meisten Fehler bei der Verwaltung von EU-Geldern entstünden in den Mitgliedstaaten. Dort, so Theurer, müssten sie „klar benannt und zügig behoben werden“.

Was das genaue Hinsehen ergab, formulierte sie ohne diplomatische Zurückhaltung. Die Kontrollmechanismen seien „ziemlich lückenhaft“, und das offenbar absichtlich. Noch nie habe sie ein System gesehen, das derart „bewusst auf Unregelmäßigkeiten und Betrug angelegt“ sei, staunte Gräßle. Regeln würden gezielt ausgehebelt, Projektanträge ganz im Sinne der Wunsch-Projektpartner bearbeitet. Nicht ohne Grund werde die Verteilung von EU-Mitteln im Jahresbericht 2012 der tschechischen Spionageabwehr unter der Überschrift „organisierte Kriminalität“ abgehandelt. Eine wirksame Überwachung scheitere oft schon an den Strukturen: Die Prüfer seien nicht unabhängig, sondern unterstünden der Dienstaufsicht der zu prüfenden Institutionen. Lieferten sie „falsche“ Ergebnisse, müssten sie – da keine Beamte – mit der Kündigung rechnen.

Aus einer langen Liste von fragwürdigen oder überteuerten Projekten stellte Gräßle zwei besonders plakative Beispiele heraus: In Kolin an der Elbe sei mit EU-Mitteln eine Eisenbahn-Zugbrücke neu gebaut worden. Dort sollten fortan Schiffe mit dreistöckigen Container-Ladungen passieren können. Solche Schiffe aber gebe es in Tschechien nicht, die Brücke sei daher noch nie gehoben worden. Beim Ausbau der Prager U-Bahn wurde das Brüsseler Geld ebenfalls mit vollen Händen ausgegeben. Pro Kilometer lägen die Kosten doppelt so hoch wie bei einer völlig vergleichbaren Neubaustrecke in Hamburg.

Wenig Interesse an Aufarbeitung

Um „Licht ins Dunkel der Nutznießer“ des löchrigen Kontrollsystems zu bringen, empfahl die Europaabgeordnete, solle das tschechische Parlament einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Doch das Interesse an einer kritischen Aufarbeitung vergangener Fehler scheint in Prag eher verhalten zu sein, vor allem in der Zukunft will man es besser machen. Die Pläne für eine bessere Auftragsvergabe und einen Kodex für die Verwaltung, reagierte Gräßle kühl, habe man „zur Kenntnis genommen“; was sie bewirkten, bleibe abzuwarten.

Für einen Kritikpunkt aber bekam sie Zuspruch von höchster Stelle. Ausgerechnet der Garant für die ordnungsgemäße Verwendung der EU-Mittel, Finanzminister Andrej Babis, befinde sich in einem handfesten Interessenkonflikt. Der Milliardär ist einer der reichsten Tschechen, bei den letzten Wahlen punktete er als Nichtpolitiker gegenüber der zunehmend verachteten Politikerkaste, seine neu gegründete Partei Ano (Ja) wurde aus dem Stand zweistärkste Kraft. Babis’ Unternehmensgruppe Agrofert freilich gehört laut Gräßle zu den größten Empfängern von EU-Mitteln im Land, zuletzt erhielt sie 2,6 Millionen Euro. Wie solle er da unbefangen über die Verwendung der Gelder wachen? Das sehe sie „mit großer Sorge“. Ihre Forderung bei der abschließenden Pressekonferenz: Babis müsse sich unbedingt klarer von seinem Firmenimperium abgrenzen.

Die Wogen glätten sich

Der Gerügte reagierte ungerührt: Er müsse sich vor seinen Wählern verantworten, nicht vor einer Frau Gräßle. Der sozialdemokratische Regierungschef Bohuslav Sobotka aber griff die Vorlage der EU-Abgeordneten dankbar auf. Sein Finanzminister müsse sich entscheiden, ob er Politiker oder Unternehmer sein wolle, beides zugleich gehe nicht; am besten beende er seine unternehmerische Tätigkeit. Er sei gar kein Unternehmer mehr, nur noch Eigentümer, konterte Babis erbost; die Geschäftsführung habe er bekanntlich abgegeben. Sobotka könne ihn ja abberufen und sich einen anderen Koalitionspartner suchen, verblieb er spöttisch – wohl wissend, dass es der Premier so weit nicht kommen lassen würde. Doch das Klima im Regierungsbündnis war wieder mal vergiftet.

Nach Gräßles Besuch dürften sich diese Wogen bald wieder glätten. Die EU-Abgeordnete will indes nicht lockerlassen, sondern in Prag weiter nachbohren. Rückendeckung bekommt sie dabei von einem baden-württembergischen Kollegen: dem Horber FDP-Abgeordneten Michael Theurer, der Vorsitzender des Haushaltskontrollausschusses ist. Im Nachgang zu der Delegation werde man „einen Fragenkatalog an die tschechische Regierung schicken“, kündigte Theurer an; das habe das Gremium gerade entschieden. Für den Liberalen zeigen „die Vorgänge in der Tschechischen Republik Handlungsbedarf“ – und zudem etwas Grundsätzliches: Die meisten Fehler bei der Verwaltung von EU-Geldern entstünden in den Mitgliedstaaten. Dort, so Theurer, müssten sie „klar benannt und zügig behoben werden“.