An der Heilbronner und der Wolframstraße entstehen in naher Zukunft mehr als 600 neue Hotelzimmer im Stuttgarter Europaviertel. Der Hotel- und Gaststättenverband sieht die Entwicklung nicht ohne Sorge.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Armin Dellnitz, Stuttgarts Touristikchef, ist zufrieden. Die Landeshauptstadt wird bei Besuchern von auswärts immer beliebter und auch deren Drang, die Nacht in der Stadt zu verbringen. Die zuletzt hinzugekommenen 2000 zusätzlichen Gästebetten hingegen wertet Dellnitz als eher unterdurchschnittlich. Markus Hofherr vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband sieht das etwas anders. „Die Anhäufung der Neubauten stimmt bedenklich“, erklärt der Stuttgarter Chef des Branchenverbands. Die Zunahme der Übernachtungszahlen sei ein schöner Erfolg. „Aber so schnell wachsen die Bäume auch hier nicht in den Himmel“. Das Beherbergungsgewerbe habe von der robusten Lage der Wirtschaft stark profitiert. „Stuttgart hat sicherlich keinen Nachholbedarf über alle Hotelsegmente hinweg. Ein Leuchtturmprojekt täte der Stadt aber gut“. Das Steigenberger im Gebäude Cloud No. 7 habe durchaus das Zeug dazu. „Das ist sehr ehrgeizig“. Insgesamt würde der Branche aber weniger Stangenware gut tun – und vor allem nun eine Verschnaufpause.

 

Dass den Platzhirschen eine solche vergönnt sein könnte, darf eher bezweifelt werden. Die Hotelszene in der Stadt ist ordentlich in Bewegung. Bestes Beispiel ist das Europaviertel, das bislang vor allem im Fokus von Kafka- und Konsumfreunden stand. Im Bereich nördlich des Hauptbahnhofs kommen in den nächsten Jahren 635 neue Hotelzimmer auf den Markt. Dafür sorgt ein Neubautrio, das kaum einen Steinwurf voneinander entfernt entsteht. Während das Aloft-Hotel (165 Zimmer) an der Heilbronner Straße als erstes Haus dieser Marke in Deutschland im Juli eröffnet, wächst der Rohbau für das Wohn- und Hotelhochhaus Cloud No. 7 in die Höhe. Dort entstehen 170 Zimmer, die von Steigenberger betrieben werden. Gleich zwei weitere Beherbergungsbetriebe sollen auf einer der noch freien Flächen des Europaviertels gebaut werden. Dieser Tage hat das Berliner Büro Eike Becker Architekten den Wettbewerb für sich entschieden. In Stuttgart zeichnet das Büro unter anderem für die Erweiterung der Züblin-Zentrale am Albstadtweg in Möhringen verantwortlich.

Baubürgermeister lobt den Entwurf

Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) lobt den „klassischen, strengen Bau“, der das „Preisgericht sehr überzeugt“ hat. Der Entwurf hat sich gegen sechs Konkurrenten durchgesetzt. Ein zweiter Platz im Wettbewerb wurde nicht vergeben, dafür gab es zwei Drittplatzierte. Für Hahn ist das knapp 1500 Quadratmeter große, dreieckig zugeschnittene Areal zwischen neuer Stadtbahnbrücke und der Ost-Fassade des Milaneos ein „brillanter Platz“ für ein Hotel. Er verweist auf die gute Erschließung durch den Öffentlichen Nahverkehr, hält doch von 2016 an die U 12 direkt vor der Hotelpforte an der Haltestelle Budapester Platz. Die Gäste der „Hampton by Hilton“- und „Holiday Inn Express“-Häuser tun gut daran, bei ihrer Anreise auf den Nahverkehr zu setzen. Den 300 Zimmern stehen 52 Tiefgaragenplätze gegenüber.

Nach der Entscheidung für den Entwurf, beginnt nun das eigentliche Planungsprozedere. Fürs Baugesuch setzt das Architekturbüro insgesamt fünf Monate an. Im Herbst sollen die Bagger anrücken, die Bauzeit wird mit 18 Monaten angegeben, sodass im Frühjahr 2017 die ersten Gäste einchecken könnten.

Damit geht die Bautätigkeit auf dem Gelände des ehemaligen Stuttgarter Güterbahnhofs weiter, dessen Aufsiedlung mit dem 1994 fertiggestellten Neubau der damaligen Südwest-LB am Kurt-Georg-Kiesinger-Platz begann. Unklar ist weiterhin die Bebauung dreier Grundstücke an der Heilbronner Straße sowie eines direkt an den Gleisen, das aber während der Realisierung von Stuttgart 21 noch als Baustellenfläche gebraucht wird . Der Baubeginn des Europe Plaza genannten Bürokomplexes östlich des bestehenden Bibliotheks-Würfels lässt weiterhin auf sich warten.