Nun kommen die möglichen EU-Kommissare auf den Prüfstand. Die 27 Kandidaten von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werden sich von Montag an den Fragen der Europaabgeordneten stellen. Einige Kandidaten sind umstritten.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Am Montag beginnen die Tage der Wahrheit. Die 27 Kommissare des neuen Spitzengremiums von Präsident Jean-Claude Juncker werden sich den Europaabgeordneten stellen. Im den letzten Tagen vor der Anhörung diskutieren die Parlamentarier noch die möglichen Fragen.

 

Die schriftlichen Fragen

Jeder Ausschuss im Europaparlament hat die Möglichkeit drei schriftlich formulierte Fragen an den designierten Kommissar seines Kompetenzbereichs zu schicken. Zusätzlich dazu können die Ausschüsse zwei weitere Fragen an die Kommissare richten, die indirekt Themen des Gesetzgebungsprogramms des Ausschusses behandeln.

Den Briefen zufolge ist eines der größten Bedenken der Parlamentarier die neu vorgeschlagene Struktur der Juncker-Kommission. Die Europaabgeordneten erwarten Antworten zur Abstimmung der Arbeit der Vizepräsidenten und darauf, wie der Kommissare in der Praxis aussehen wird. „Die neue Struktur der Kommission wirft einige Fragezeichen auf. Nicht nur wegen der Überschneidung der Kompetenzen der Geschäftsbereiche, und der Neuverteilung der Politikbereiche unter den Generaldirektionen, sondern auch wegen der Unklarheit der Arbeitshierarchie zwischen dem Präsidenten, den Vizepräsidenten und den anderen Kommissaren“, sagte der sozialdemokratische Europaabgeordnete Brando Benifei dem Onlineportal „Euractiv“.

Die mündlichen Fragen

Nach der schriftlichen Befragung werden die 27 designierten Kommissare für eine mündliche Befragung vor den Parlamentsausschüssen erscheinen. Die Europaabgeordneten haben ungefähr drei Stunden für die Beurteilung der Kompetenz der Kandidaten.

Die Kandidaten würden in den Ausschüssen einer harten Überprüfung ihrer Qualifikationen unterzogen, sagte der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer zu Euractiv. Im Falle des spanischen Kandidaten Miguel Arias Cañete, der für Klima und Energie zuständig sein soll, hätten die europäischen Grünen „große Bedenken wegen seiner Qualifikationen und der erforderlichen Unabhängigkeit“.

Einigen Kommissaren schlagen Bedenken entgegen

„Wir wollen von den Kommissaren überzeugt werden“, sagt der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber. In seiner Fraktion gibt es Bedenken gegen den Sozialisten Moscovici, der Wirtschafts- und Finanzkommissar und damit für die EU-Budgetüberwachung verantwortlich werden soll. Paris bekommt seit Jahren sein Staatsdefizit nicht in den Griff.

Für den 22. Oktober ist im EU-Parlament die Abstimmung über die neue Juncker-Kommission geplant, die dann am 1. November ihre Arbeit aufnehmen soll. Falls ein oder mehrere Anwärter bei den Anhörungen durchfallen, könnte die Kommission laut EU-Diplomaten möglicherweise erst verzögert starten, beispielsweise am 1. Dezember oder am 1. Januar 2015.

Eine Liste der Wackelkandidaten

Hier eine kurze Liste der designierten EU-Kommissare, die bereits im Vorfeld der Befragung für Schlagzeilen gesorgt haben:

MIGUEL ARIAS CAÑETE (64), designierter Kommissar für Klimapolitik und Energie. Dem konservativen Spanier wird zu große Nähe zur Ölindustrie und Sexismus vorgeworfen.

ALENKA BRATUSEK (44), Sozialliberale, Kommissions-Vizepräsidentin für die Energieunion. Kritikpunkt: Als abgewählte Ministerpräsidentin Sloweniens soll sie sich de facto selbst für das Brüsseler Amt gewählt haben.

JONATHAN HILL (54), Konservativer, Ressort Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion. Sein Heimatland Großbritannien wehrt sich seit langem gegen eine stärkere Bankenregulierung.

KARMENU VELLA (64), designiert für Umweltschutz, Meerespolitik und Fischerei. Vorwurf an Maltas sozialdemokratischen Ex-Minister: kaum Erfahrung in der Umweltpolitik.

TIBOR NAVRACSICS (48), designierter Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Bürgerschaft. Architekt mehrerer umstrittener Gesetze in Ungarn. Mitglied der rechtskonservativen Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orban.

PIERRE MOSCOVICI (57), Sozialist, soll Wirtschaft und Finanzen, Steuern und Zoll übernehmen. Allerdings bekam Frankreich auch mit ihm als Finanzminister sein Schuldenproblem nicht in den Griff.