Berlin hält die Entscheidungen zur Eurostabilisierung für ausreichend und demonstriert betonte Gelassenheit.

Berlin - Betonte Gelassenheit - das ist das Signal, das die Bundesregierung in den unruhigen Börsenzeiten aussendet. Von der Aufregung der Finanzmärkte will sich Berlin nicht anstecken lassen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich nach ihrem Südtirol-Urlaub seit Montag wieder in der Hauptstadt auf, doch öffentliche Auftritte sind vorerst nicht geplant - schon gar nicht zur Eurokrise. Die Regierung ist zur Überzeugung gelangt, dass dem Stimmengewirr bei diesem Thema Einhalt zu gebieten sei. Als abschreckendes Beispiel wird in Berlin die Äußerung des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso angesehen, der mit seiner Forderung nach einer Aufstockung des bestehenden Rettungsschirms zu weiterer Verunsicherung an den Märkten beitrug.

 

Merkel und ihre Ratgeber dringen schon deshalb auf Zurückhaltung, weil sie der Ansicht sind, alle Register zur Eindämmung der Eurokrise gezogen zu haben. Auf dem letzten EU-Gipfel sind neue Kompetenzen für den bestehenden Eurorettungsschirm EFSF beschlossen worden. Dazu gehört, dass der Rettungsfonds Schuldtitel von Euroländern auf dem Sekundärmarkt aufkaufen darf - das ist nichts anderes als eine indirekte Kreditgewährung.

Vakuum bietet Stoff zur Spekulation

Kritiker sehen darin eine Ausweitung der Haftung. Diese Erweiterung des bestehenden Rettungsschirms muss aber noch von den Parlamenten gebilligt werden. Dasselbe gilt für den künftigen Rettungsschirm ESM, über den sich die europäischen Staaten ebenfalls einig sind. Für absolut schädlich hält die Bundesregierung, dass ständig über neue Maßnahmen spekuliert werde, obwohl das gefundene Instrumentarium noch nicht zur Anwendung gelangen könne.

Die Regierungschefs wissen, dass dieses Vakuum den Märkten einigen Stoff zur Spekulation bietet. Aus diesem Grund sollen die neuen Möglichkeiten des bestehenden Rettungsschirms so rasch wie möglich umgesetzt werden - das ist der Tenor der gemeinsamen Erklärung von Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Bis Ende September sollen die Verabredungen des EU-Gipfels vom 21. Juli in Gesetze gegossen sein. Mit diesem Bekenntnis treiben Paris und Berlin auch die anderen Euroländer zur Eile.

Keine Beratungen im Eiltempo

Der Zeitplan bis Ende September ist für das deutsche Parlament äußerst ehrgeizig. Erst Anfang September kommt der Deutsche Bundestag zu seinen Haushaltsberatungen zusammen. Knapp vier Wochen später sollen die Gesetze über die Eurorettung verabschiedet sein. Da es sich um komplizierte Änderungen mit weitreichenden Folgen handelt, kann der Zeitplan nur dann eingehalten werden, wenn die Fraktionen im Parlament einer Fristverkürzung zustimmen. Dies wiederum erfordert, dass die Opposition bei den Beratungen im Schnelldurchgang mitmacht.

Auch in der schwarz-gelben Koalition dürfte der Zeitdruck nicht gut ankommen. Schon seit einiger Zeit macht Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kein Hehl daraus, dass er Beratungen im Eiltempo für falsch hält. Um ein Durchpeitschen der Gesetze im Bundestag zu vermeiden, ist auch denkbar, dass die Parlamentarier in der Sommerpause zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Welcher Weg gewählt wird, ist noch nicht geklärt.

Ankauf löse die Probleme nicht

Weil der Gesetzgeber Zeit benötigt, soll die Europäische Zentralbank (EZB) in die Bresche springen. Nach anfänglichem Zögern ist die EZB nun bereit, Anleihen von Spanien und Italien zu kaufen. Offiziell wird in Berlin zwar der Eindruck vermieden, die Politik habe die EZB zu diesem Schritt gedrängt, aber hinter den Kulissen wurde eifrig verhandelt. In der deutsch-französischen Erklärung weisen Merkel und Sarkozy darauf hin, dass Interventionen an den Sekundärmärkten unter Beteiligung der EZB hilfreich seien. Kurz darauf lenkte die EZB ein.

Auch in Berlin gab es bis zuletzt warnende Stimmen, die darauf hinwiesen, der Ankauf spanischer und italienischer Anleihen durch die Europäische Zentralbank löse die Probleme nicht. Die Skepsis der Bundesregierung und der Deutschen Bundesbank stieß in Madrid und Rom auf Unverständnis. Die spanische und die italienische Regierung werfen dem EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet ohnehin Zögerlichkeit vor. Auch wegen des starken Drucks aus diesen Ländern stemmte sich Merkel nicht länger gegen das Schuldenankaufprogramm.