Was für eine Überraschung: zum sechzigsten ESC-Geburtstag darf Down Under am Wettbewerb teilnehmen.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Wien - Good evening, Europe! So lautet traditionell der Moderatorengruß zum Auftakt eines Eurovision Song Contest-Abends. In Wien wird es diesmal eine Ergänzung geben müssen: Good morning, Australia! Wenn in der Wiener Stadthalle um 21 Uhr die große Show beginnt, ist es auf dem fünften Kontinent schon früh am Morgen. Doch wie immer seit der ersten Übertragung im Jahr 1974 werden einige Millionen Australier vor ihren Bildschirmen sitzen und Grand Prix gucken, werden in den Bars von Sydney und Melbourne große Song-Contest-Partys steigen. Für die Zuschauer wird sogar seit Jahren völlig außer jeder Konkurrenz ein eigenes Televoting veranstaltet – und die Australier sind stolz darauf, sehr häufig den Grand-Prix-Sieger „richtig“ erkannt und gewählt zu haben. Der ESC ist in Down Under mithin seit Jahrzehnten ein riesiger Kult!

 

Und in diesem Jahr wird das ESC-Fieber besonders groß sein, denn aus Anlass des sechzigsten Geburtstages hat die Europäische Rundfunkunion (EBU) das australische Fernsehen SBS eingeladen, ganz ordentlich am Wettbewerb teilzunehmen und einen Kandidaten zu schicken – eine Entscheidung, die selbst hart gesottene ESC-Fans in Überraschung und Verzückung versetzte. Der 33-jährige Guy Sebastian zählt in seiner Heimat gerade zu den erfolgreichsten Popstars, versteht zweifellos sein musikalisches Handwerk, hat eine Superstimme und präsentiert mit „Tonight Again“ einen coolen Feelgood-Popsong mit fetten Bläser-Grooves und klarer Ohrwurm-Qualität.

Musikalisch blamieren wird sich der fünfte Kontinent bei seinem Gastspiel in Europa also ganz sicher nicht, die Wettbüros zählen Sebastian sogar zu den Favoriten auf einen Sieg. Wenn es entsprechende Punkte aus allen Ländern gibt, wird die EBU das auch ganz sicher nicht unterbinden. Allerdings wird sie dann von der Regel abweichen, das Siegerland auch den nächstjährien Song Contest ausrichten zu lassen – nicht nur, dass eine solche Fernreise für alle Teilnehmer zu teuer wäre. Auch die Übertragung der ESC-Shows aus Sydney oder Melbourne würde wegen der Zeitverschiebung zu große Probleme bereiten. Falls Australien in Wien gewinnt, wird der ESC 2016 darum von einem der großen EBU-Finanziers ausgetragen – Gerüchten zufolge hätte sogar Deutschland dann die besten Karten.

Alternativ wäre aber auch ein Grand Prix 2016 in London keineswegs ausgeschlossen. Schließlich ist das Staatsoberhaupt Australiens weiterhin die britische Königin Elisabeth.