Xavier Naidoo soll nach dem Willen der ARD für Deutschland in den Eurovision Song Contest ziehen. Er ist die falsche Wahl – vermutlich auch musikalisch, auf jeden Fall aber wegen seiner fragwürdigen politischen Äußerungen, meint Lukas Jenkner.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Mannheim/Hamburg - Mit zielsicherer Instinktlosigkeit will die ARD im nächsten Jahr den Mannheimer Popsänger Xavier Naidoo in den Eurovision Song Contest (ESC) schicken. Nach dem Drama des vergangenen Wettbewerbs, als Deutschland mit null Punkten auf dem letzten Platz landete, droht nun das nächste Desaster – und das nicht nur musikalisch, sondern vor allem kulturpolitisch.

 

Xavier Naidoos Musik ist Geschmackssache. Man mag sie oder nicht. In Deutschland ist sie immerhin massentauglich, Naidoo gehört zu den erfolgreichsten Musikkünstlern des Landes. Aber ob sein Stil auch auf internationalem Parkett funktioniert, ist höchst fraglich. Ein reines Naidoo-Stück kann man sich im Umfeld des ESC kaum vorstellen, und seinen höchst individuellen Gesangsstil in einer auf den Liederwettbewerb hin produzierten Komposition wohl ebensowenig.

Wer in den ESC zieht, ist aber nicht nur einfach Künstler, sondern immer auch Repräsentant seines Landes, und in dieser Hinsicht ist Xavier Naidoo vorerst unmöglich, zumal in der aktuell im Land herrschenden Atmosphäre. Der Auftritt des Mannheimer Sängers auf einer Kundgebung der sogenannten „Reichsbürger“ vor einem guten Jahr hinterlässt einen höchst zwiespältigen Eindruck.

Wer sich Naidoos kurze Rede in voller Länge anhört, stellt zwar fest, dass er viel von Liebe, Jesus und gegenseitigem Verständnis spricht, und seine Aussagen zu den Verschwörungstheorien des 11. September lassen sich wohlwollend als naiv abtun. Aber zum Tag der deutschen Einheit vor dem Kanzleramt in Sichtweite des Reichstags – mithin im politischen Zentrum der Bundesrepublik Deutschland – vor einer Gruppe aufzutreten, die die Grundlagen dieses Landes in Frage stellt, disqualifiziert Naidoo für den ESC, der eben doch auch eine kulturpolitische Komponente hat.

Wohlgemerkt: Wenn Xavier Naidoo für sich in Anspruch nimmt, weder rechts noch homophob noch antisemitisch zu sein, mag das durchaus stimmen. Was die sogenannten „Reichsbürger“ vor allem eint, ist die Überzeugung, dass infolge eines fehlenden Friedensvertrages nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland nach wie vor ein besetztes Land sei und das Deutsche Reich de facto nie aufgehört habe zu existieren. Die „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik nicht an. Zugleich ist die höchst heterogene Bewegung ein Sammelbecken für allerlei politisch fragwürdige Wirrköpfe, von denen viele rechtes Gedankengut vertreten.

Man könnte Naidoos Auftritt vor dem Berliner Kanzleramt als Ausrutscher abtun, wenn sich das gesellschaftliche Klima zwischenzeitlich verändert hätte. Aber seit Pegida & Co dieses Land mit unerträglichen Hetztiraden überzieht, ist es an der Zeit, Kante zu zeigen – auch für Xavier Naidoo.