Der ehemalige Ministerpräsident Teufel sorgt sich um seine Partei. Sie lasse das C im Namen verkümmern, kritisiert der Politikveteran.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Er musste sich aus dem Amt mobben lassen und später mitansehen, wie die CDU ihre 58 Jahre währende Regentschaft in Baden-Württemberg einbüßte. Er hat viele Entscheidungen hingenommen, die seinen Grundüberzeugungen zuwider liefen. Nun will Erwin Teufel nicht länger schweigen. Vor drei Wochen bei einer Veranstaltung der Senioren-Union hatte er schon einmal sein Wort erhoben. Aber seine Kritik am Zustand und Kurs seiner Partei war fast ungehört verhallt. Jetzt legt er nach. Teufel, von 1991 bis 2005 Ministerpräsident im Südwesten und zeitweise auch Vizevorsitzender der Bundes-CDU, sieht deren Identität bedroht. Zudem sorgt er sich um die Glaubwürdigkeit der Politik im Allgemeinen und der christdemokratischen im Besonderen.

 

"Das Vertrauen in die handelnden Staatsmänner in Europa ist verloren gegangen", moniert der 71-jährige Teufel im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Seine Kritik an den "Staatsmännern" schließt eine Frau mit ein: Angela Merkel, deutsche Kanzlerin und Vorsitzende der CDU. Deren Handeln in der Eurokrise umschreibt er so: "Wenn Staats- und Regierungschefs in einer Nacht wesentliche Stabilitätskriterien wegputzen, die in Verträgen festgehalten, also geltendes Recht sind, geht Vertrauen verloren. Vom Bürger erwartet man, dass er sich an Normen, an Recht und Gesetz, an Verträge hält - und Staats- und Regierungschefs tun es nicht", rügt der Politveteran.

Am C im Namen orientieren

Teufel weiß, wovon er spricht. Schließlich gehörte er dem Europäischen Konvent an und hat den EU-Vertrag mitverfasst. Die Bußpredigt des zornigen alten Mannes zielt aber nicht nur auf aktuelles Krisenmanagement. Der Christdemokrat ist mit seiner Partei insgesamt unzufrieden. "Die Stammwähler der CDU können nicht mehr sagen, worin die Alleinstellungsmerkmale der CDU liegen, wo ihre Kernkompetenzen sind, wo ihr Profil ist", befindet er. Für die Union spielten gerade christliche Inhalte immer weniger eine Rolle.

Das hatte Teufel unlängst schon in seiner Rede vor Parteisenioren angeprangert. "Die CDU darf nicht das C im Schilde führen, wenn sie sich nicht an ihm orientiert", sagte er damals. Insgesamt sei er "besorgt, ob die CDU/CSU so stark bleibt, dass gegen sie nicht regiert werden kann". In dieser Philippika, die die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" in ihrer aktuellen Ausgabe komplett abgedruckt hat, geht Teufel mit der Politik seiner Partei hart ins Gericht. Das von der CDU-Ministerin Ursula von der Leyen geschaffene Elterngeld nennt er "die größte Ungerechtigkeit, die man sich denken kann". Ungerecht sei, wenn die Erziehungsarbeit einer gering verdienenden Verkäuferin vom Staat geringer honoriert werde als die einer Akademikerin mit hohem Einkommen. Teufel fordert: "Erziehungsarbeit sollte vergütet werden." Zudem müsse "das Wohl des Kindes Vorrang haben vor den Interessen der Wirtschaft", so heißt es in Teufels Rede.

"Politik ist zur Darstellungskunst verkommen"

Bemerkenswert ist auch seine Kritik an der neuen Bildungspolitik der Bundes-CDU, die das Ende der Hauptschule einläutet. Teufel kritisiert vor allem, dass ein Bundesgremium sich anmaße, den Ländern vorzuschreiben, wie deren Schulpolitik zu gestalten sei. Dazu muss man wissen, dass die umstrittenen neuen Leitlinien die Handschrift Annette Schavans tragen - jener Frau also, die Teufel einst gerne als seine Nachfolgerin an der Spitze der Landesregierung gesehen hätte.

"Politik ist heute vielfach zur Darstellungskunst verkommen", hatte der Politpensionär schon in seiner Autobiografie zum 70. Geburtstag beklagt. "Nicht Inhalte sind wichtig, sondern Verpackung, Infotainment. Wo Ziele gefragt sind, hilft keine bloße Geschwätzigkeit." In dieser Allgemeingültigkeit wird kaum jemand widersprechen. Die CDU-Spitze enthält sich ohnehin jeglichen Kommentars. Aber Teufel ist mit seinen Mahnungen nicht alleine. Unlängst hatte der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf die Atompolitik als unverständlich kritisiert. Und der CDU-Konservative Jörg Schönbohm schimpfte: "Seit der deutschen Einheit haben CDU-Mitglieder kaum noch Gelegenheit gehabt, auf ihre Partei und deren Durchsetzungskraft stolz zu sein." Er wurde noch deutlicher: "Es war die Parteivorsitzende selbst, die die Wende zur Verschwommenheit eingeleitet hat." Angela Merkel scheint das nicht anzufechten. Kurz vor ihrem Urlaub deutete sie an, dass sie bei der nächsten Wahl noch einmal für die Union anzutreten gedenke. Und es gibt niemanden in der Partei, der ihr das streitig machen könnte.